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Allt flyter - Männer im Wasser

Eine Gruppe von Loser-Freunden, die ihre Midlife-Crisis mit ambitioniertem Synchronschwimmen bewältigen. – Die schwedische Komödie zeichnet sich durch überraschende Wendepunkte und durch den witzigen Singsang der Sprache aus.

Text: Lara Sascha Bleuler / 28. Juli 2010

Die schwedische Sprache hat einen melodischen Klang, der einen unweigerlich in Bann zieht. Die Besonderheit, oft scheinbar unwillkürlich und mitten im Wort die Tonhöhe um eine Oktave zu heben, macht die Dialoge für Nichtsprachkundige zu einem musikalischen Genuss. Auch die schwedische Komödie Allt Flyter – Männer im Wasser lebt vom charmanten Singsang dieser Sprache, der das leichtfüssige Tempo des Films von Anfang an bestimmt. In der zackig geschnittenen Eröffnungssequenz spielen sieben Männer Hockey, und sogleich, wie bei Komödien üblich, wird der erste Konflikt eingeführt: die Sportsfreunde werden aus ihrer Trainingshalle vertrieben. «Frauen, Behinderte und der Nachwuchs haben Vorrang!» erklärt ihnen spitz der Coach eines Mädchen-Teams. Die Männer, die vor vielen Jahren in dieser Sportart noch recht erfolgreich waren, sind nun alle Mitte vierzig und nicht mehr so gut in Form – sie qualifizieren sich in keiner der Kategorien des Athletenverbands. Ein harter Schlag für Fredrik und seine Kumpel.

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Ein kleiner Trost ist da wenigstens der fulminante Erfolg ihrer Bachelor-Party; ihre ulkige Synchronschwimmer-Performance in Baywatch-Badekleidern mit Orangenbrüsten begeistert die Hochzeitsgäste. Sofort werden sie von einer reichen Dame für einen weiteren Event gebucht. Aus Spass wird Ernst, doch die Vorführung wird zum Debakel; nach den vielen Übungsstunden wirkt ihre Kür zu geschliffen, die Synchronität zur Musik ist nahezu perfekt, was die angetrunkenen High-Society-Gäste wenig amüsiert. Aber Fredrik, der Trainer der Gruppe, gibt nicht auf und nimmt den Flop zum Anlass, nun wirklich das erste männliche Synchronschwimmer-Team Schwedens zu formieren – mit dem ambitionierten Ziel, gleich an der Weltmeisterschaft, die nach hundert Jahren wieder in Berlin stattfindet, teilzunehmen

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Der Film folgt fortan dem klassischen Erfolgsrezept von Komödien wie The Full Monty oder der japanischen Sportskomödie Waterboys: eine Gruppe von Loser-Freunden muss sich in einer als lächerlich und unmännlich konnotierten Sportart behaupten, besiegt eigene wie äussere Vorurteile, um schliesslich den beglückenden Triumph des Erfolgs zu geniessen. Wie die strippenden Stahlarbeiter aus Sheffield müssen die schwedischen Helden erst einen steinigen, von Diskriminierung und Blossstellung gepflasterten Weg zurücklegen. Hindernisse, deren Überwindung den gewohnten Unterhaltungswert einfordern, aber wenig Überraschung bieten.

Die Hauptfigur Fredrik wird von einer männerhassenden Chefin entlassen, seine nicht minder emanzipierte Ex-Frau siedelt für ihren Traumjob nach London über und überlässt ihm die schwer pubertierende Tochter Sara. Der Konflikt ist vorprogrammiert, Fredrik ist von seiner Vollzeit-Vaterrolle und dem Synchronschwimmer-Projekt total überfordert. Die männerfeindliche Schwimmbadbesitzerin stellt sich quer, ein Zeitungsartikel über «Reversed Gender Discrimination» spaltet das Team, bald sind die sieben Freunde am Rande eines Nervenzusammenbruchs, zumal ihnen zur WM-Qualifikation noch zwei Männer fehlen.

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Doch Hilfe kommt von ungeahnter Seite. Die siebzehnjährige Sara, selber begnadete Synchronschwimmerin, übernimmt selbstbewusst das Coaching des Teams ihres Vaters. Ein stillgelegter Pool wird gemietet, es beginnt das harte Training: Luftanhalten, schwerelos im Wasser treiben, Feinmotorik und perfekte Synchronität zu Musik und Gruppe will gelernt sein. Visuell sind diese stets aufwendig, teils unter Wasser gefilmten und mit stimmiger Musik unterlegten Sequenzen durchaus vergnüglich, die schnell montierten wassertanzenden Männerkörper sind ästhetisch ein Genuss. Doch häufen sich die voyeuristischen Bilderreigen des Kunstschwimmens mitunter allzu sehr und nutzen sich gegenseitig ab – der Erzählfluss stockt und die Entwicklung der Figuren bleibt auf der Strecke. Ausser Fredrik, der durch eine detailliert gezeichnete Midlife-Crisis und die Annäherung an seine Tochter eine glaubwürdige Veränderung durchmacht, werden die Protagonisten auf stereotype Klischees reduziert: Charles ist der weichbäuchige sympathische Loser, der bei der Kür immer einen Tick zu spät ist, und der homophobe Victor tut sich schwer mit seinen Ängsten vor Schwulen. Als dann noch der tuntige Jarmo dazustösst und einstimmig eine Team-Pediküre angenommen wird, sieht Victor Rot.

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Von den anderen Männern erfährt man so gut wie gar nichts, ausser dass sie demonstrativ aufgeklärt schwulenfreundlich sind und alle ein wenig unter ihren überemanzipierten Frauen leiden. Charles muss sich von seiner Frau vorwerfen lassen, er solle gefälligst eine “normale” Midlife-Crisis durchmachen – sich die Haare färben oder eine Brustwarze piercen lassen. Solch flotte Sprüche unterstreichen zwar schwarzhumorig den Gender-Streit, der in Schweden wohl eindrückliche Dimensionen angenommen hat, doch bleibt diese Thematik sehr an der Oberfläche.

Abgesehen von der etwas eindimensionalen Figurenzeichnung, sind Rhythmus und Tonfall dieser Komödie jedoch von Måns Herngren gut getroffen worden. Dass gewisse Entwicklungen äusserst vorhersehbar sind, wird durch überraschend liebenswerte dramaturgische Kniffe wieder wettgemacht. Und zum Schluss mausert sich der Film gar noch zu einem Roadmovie: wenn die Sportsfreunde im Wohnmobil zu rockigem Soundtrack den Resten der Berliner Mauer entlangbrettern, freut sich das Herz. Auch wenn nur wieder einmal erwartungsgemäss wahre Männerfreundschaft bewiesen worden und ein Tölpel-Vater seiner Tochter ein klein wenig nähergekommen ist.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 5/2010 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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