Filmbulletin Print Logo
Seven psychpaths 01

Seven Psychopaths

Seven Psychopaths beginnt mit einem Dialog zwischen zwei Berufskillern, die unter der heissen kalifornischen Sonne darüber diskutieren, ob John Dillinger bei seiner Ermordung wohl genau durchs Auge geschossen worden sei. Doch die erste Überraschung, der in diesem Film noch unzählige weitere folgen werden, lässt nicht lange auf sich warten

Text: Michael Pekler / 05. Dez. 2012

Der Unterschied zwischen dem mittelalterlich-pittoresken Zentrum der belgischen Kleinstadt Brügge und dem scheinbar unendlichen Strassengeflecht der US-Metropole Los Angeles könnte auf den ersten Blick kaum grösser sein. Hier die Reste einer alten europäischen Handelstradition, dort die Spuren einer alles dominierenden amerikanischen Autoindustrie. Und doch gibt es eine Gemeinsamkeit zwischen diesen Schauplätzen, denn das Böse wohnt bekanntlich überall.

In Bruges hiess der Debütfilm des britischen Dramatikers Martin McDonagh, der vor wenigen Jahren zwei Auftragskiller – den grossartigen Brendan Gleeson und einen lümmelhaften Colin Farrell – durch das malerische Brügge begleitete, die nach einem verpatzten Auftrag wie Becketts Wladimir und Estragon auf den dritten Mann warteten. McDonagh inszenierte sein eigenes Drehbuch als einen Thriller, der seine existenzialistische Tristesse und vor allem die eigene Künstlichkeit unverblümt zur Schau stellte. Die selbstreferenziellen Höhepunkte des Films waren ein Film im Film mit einem Zwerg sowie Museumsbesuche bei Gemälden von Hieronymus Bosch. Nun hat McDonagh, wiederum nach seinem eigenen Drehbuch, seinen ersten Hollywoodfilm gedreht und dem Schauplatz Los Angeles entsprechend diese Tonlage gleich um mehrere Drehungen nach oben geschraubt.

Seven Psychopaths beginnt mit einem Dialog zwischen zwei Berufskillern, die unter der heissen kalifornischen Sonne darüber diskutieren, ob John Dillinger bei seiner Ermordung wohl genau durchs Auge geschossen worden sei. Doch die erste Überraschung, der in diesem Film noch unzählige weitere folgen werden, lässt nicht lange auf sich warten: Ein Maskierter nähert sich schnellen Schrittes von hinten und hinterlässt neben den beiden Leichen der Auftragsmörder eine Spielkarte mit einem Karo-Buben. Der erste von sieben Psychopathen, ein Killer killender Killer, hatte soeben seinen Auftritt. Mit dieser Ouvertüre steht fest, dass der gesamte weitere Film ein grosses Spiel werden wird.

Seven psychpaths 02

Das ist natürlich eine gute Story für einen erfolglosen, aber trinkfreudigen Autor wie Marty (abgetakelt: Colin Farrell), der gross ins Kinogeschäft einsteigen will und an einem Drehbuch mit dem Titel «Seven Psychopaths» arbeitet, dessen grösstes Problem aber ist, dass ihm partout keine sieben verrückten Killer einfallen wollen. Vorerst, denn weil sein bester Freund Billy (aufgekratzt: Sam Rockwell) seinen Lebensunterhalt damit verdient, fremden Leuten ihre Hunde zu stehlen und mithilfe des alten Hans (hintersinnig: Christopher Walken) Prämien zu kassieren, gerät das ungleiche Trio bald an den brutalen Gangster Charlie (despotisch: Woody Harrelson), der den Verlust seines Shih Tzus persönlich nimmt.

Und das wiederum ist eine noch bessere Story von und für Martin McDonagh, der dieses Spiel der Referenzen und Reverenzen auf die Spitze treibt. Jeder Psychokiller, der sich in der Folge ins Geschehen einmischt, bekommt seine eigene Story, vom Serienmörder mit weissem Hasen bis zum stummen Quäker, der seine ermordete Tochter rächt. Doch wie wird man Geister, die man gerufen hat, wieder los? Wie bei Pirandellos «Sechs Personen suchen einen Autor» finden auch die sieben Psychopathen ihren Weg in Martys Drehbuch, das wiederum zu jenem von Martin McDonagh wird. Dass dieser vermeidet, die einzelnen Episoden – wie etwa Alejandro González Iñárritu – kunstfertig miteinander zu verweben, sondern das Zufallsprinzip selbst lustvoll ad absurdum führt, erweist sich für diesen gar nicht dunklen Film noir, der von der Notwendigkeit des Schreibens handelt, als Glücksfall. Denn die besten Geschichten schreibt nicht das Leben, sondern ein guter Autor.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 8/2012 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

Weitere Empfehlungen

Kino

01. Mär. 2005

Klingenhof

Es ist Sommer, Herbst, wird Winter. Schnee liegt auf den Dächern, dem Brunnen, auf den zum Spielplatz gewordenen Ruinen der ehemaligen Ökonomiegebäude im Innern des Klingenhofes nahe der Langstrasse, Zürich, Kreis 5. Ein neuer Herbst. Das Jahreszeiten-, das Tag-, das Nachtlicht, die Bäume erzählen die Zeit.

Kino

18. Mai 2011

Un homme qui crie

Es beginnt fast wie ein Urlaubsidyll – mit kühlendem Wasser, strahlender Sonne, blauem Himmel, Touristen, die sich auf Liegen räkeln, und Kellnern, die Drinks servieren. Derweil wettstreiten zwei Männer im Pool darum, wer von ihnen unter Wasser am längsten die Luft anhalten kann.