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Young adult 01

Young Adult

Irgendwann ist der 1978 geborenen Drehbuchautorin Diablo Cody bewusst geworden, dass sich ihre bisherigen Stoffe hauptsächlich um high school girls drehten. Gleichzeitig störte sie sich daran, dass im amerikanischen Kino kaum weibliche Varianten unsympathischer Anti-Helden vorkommen. In Young Adult interessiert sie sich deshalb am Beispiel der niemals erwachsen gewordenen Ghostwriterin Mavis Gary dafür, wie die typischen Figuren der High-School-Komödie ihr Leben als Enddreissiger meistern.

Text: Oswald Iten / 02. Mär. 2012

Irgendwann ist der 1978 geborenen Drehbuchautorin Diablo Cody bewusst geworden, dass sich ihre bisherigen Stoffe hauptsächlich um high school girls drehten. Gleichzeitig störte sie sich daran, dass im amerikanischen Kino kaum weibliche Varianten unsympathischer Anti-Helden vorkommen. In Young Adult interessiert sie sich deshalb am Beispiel der niemals erwachsen gewordenen Ghostwriterin Mavis Gary dafür, wie die typischen Figuren der High-School-Komödie ihr Leben als Enddreissiger meistern.

Die in Codys Oscar-gekröntem Debüt Juno zu fulminantem Dialogwitz stilisierte Jugendsprache kommt in dieser erneuten Zusammenarbeit mit Jason Reitman vorerst nur marginal vor. Doch tauchen immer wieder Ausdrücke, die Mavis von Teenagern aufgeschnappt hat, in ihrem Manuskript auf, dessen Entstehung wir im Off quasi als Kommentar zu Mavis’ realem Leben mitverfolgen.

Als die Arbeit an diesem finalen Band einer einst erfolgreichen young adult fiction series ins Stocken gerät, beschliesst sie, ihren Exfreund Buddy Slade aus seinem Leben als Ehemann und Vater zu “befreien”. Das Wort liberty fällt dabei so häufig, dass es schnell als jene Worthülse erkennbar wird, mit der Mavis ihr unerfülltes Privatleben rechtfertigt.

Nach einem one-night stand verlässt sie Minneapolis noch im Pyjama. Bezeichnenderweise hört sie auf dem Weg in ihr Heimatstädtchen Mercury eine alte Kassette, die sie immer wieder zu jenem Lied zurückspult, das sie an das vergangene Glück mit Buddy erinnert. Später muss sie feststellen, dass dieser das Stück viel stärker mit seiner jetzigen Frau verbindet. Selbst da erkennt sie jedoch nicht, dass sie mit dem Ausleben ihrer Teenagerphantasien jeden Versuch torpediert, an die alte Zeit anzuknüpfen.

Es fällt erst allmählich auf, wie stark das von Reitman gewohnt unspektakulär in Szene gesetzte Drehbuch die Genrekonventionen gegen den Strich bürstet. Lange gibt man sich der Illusion hin, Young Adult könnte für Mavis wie eine typische Kleinstadtkomödie mit Erlösung und neuer Liebe enden. Doch Diablo Cody hat sie als Figur geschaffen, die immun bleibt gegen Selbsterkenntnis und Bescheidenheit.

Young adult 06

Charlize Theron, die für ihre Paraderolle in Monster einst von der Maske verunstaltet werden musste, lässt die innere Hässlichkeit der äusserlich kaum gealterten prom queen hinter immer neuen Make-up-Schichten in all ihrer Selbstverliebtheit und trotzigen Arroganz durchscheinen. Geschickt spielt Theron mit dem tragikomischen Potential der Rolle, etwa wenn Mavis im verzweifelten Werben um den glücklich verheirateten Buddy plötzlich ins jugendliche Vokabular ihrer Romanfiguren verfällt und als bemitleidenswerter Trampel erscheint.

Im Umgang mit ihrem ehemaligen Schulkollegen Matt, der einst grundlos zum Krüppel geschlagen wurde und sich seither im Selbstmitleid suhlt, reagiert sie gar verletzend, ja abstossend. Der vom Komiker Patton Oswalt mit der nötigen emotionalen Bodenhaftung gespielte Matt bietet ihr jedoch beharrlich die Stirn und wird bald zur Anlaufstelle für selbstgebrannten Alkohol und ehrliche Antworten.

Auch wenn Young Adult trotz konsequentem Schluss eher leichtgewichtig wirkt, zeugt der Film doch von Codys Gespür für abgründige Figuren, die man unter Reitmans liebevoll entlarvender Regie gerne dabei beobachtet, wie sie sich gegenseitig ihre Lebenslügen vorwerfen. Schliesslich mag das von Fastfood-Ketten geprägte Kleinstadtsetting spezifisch amerikanisch sein, die Probleme der ewig jungen thirty-somethings hingegen sind ein universelleres Phänomen westlicher Gesellschaften, das sich auch daran zeigt, dass Jugendbuchserien heute zunehmend von Erwachsenen konsumiert werden.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 2/2012 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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