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Pause 01

Pause

Mathieu Urfer ist mit Pause eine sehr charmante, federleichte Beziehungskomödie der leisen Töne mit einer der schönsten Liebeserklärungen seit langem gelungen.

Text: Herbert Spaich / 29. Apr. 2015

Ein bisschen schusselig und nicht immer ganz bei der Sache, die gerade anliegt, kann Sami die Frustrationstoleranz seiner Mitmenschen gelegentlich überstrapazieren. Ein Beispiel: Zum Dekantieren des Rotweins hantiert er mit einer Blumenvase und nicht mit dem dafür vorgesehenen Gerät. Als er den Irrtum bemerkt, verschüttet er vor Schreck den Wein über den Braten und versucht dann auch noch, mit der Gardine das Ausmass des Unheils einzudämmen …

Zugegeben, das hört sich nicht nach sonderlich subtilem Humor an und könnte gar als Ausdruck einer Klamotte verstanden werden. Aber nichts da! Mathieu Urfer ist mit Pause eine sehr charmante, federleichte Beziehungskomödie der leisen Töne mit einer der schönsten Liebeserklärungen seit langem gelungen.

Gerade bei der Wein-auf-Braten-Szene zeigt sich die Kunst dieses Regisseurs. Sie besteht darin, aus dem Missgriff zur Vase eine Kaskade des Missgeschicks zu machen; das Psychogramm einer männlichen Stresssituation am heimischen Herd. Ohne Zeugen wäre das Ganze bereits ein Reinfall gewesen, der am Selbstverständnis von Sami nagt – Chaot hin oder her!

Aber richtig schlimm wird die Sache durch die Anwesenheit von Julia, Samis Partnerin, die er aus ganzem Herzen liebt. Während er es gerne gemütlich und die Arbeit nicht unbedingt erfunden hat, ist sie auf dem besten Weg zur Managerin in Bio-Baumwolle. In ihrer Beziehung ist er deshalb für den weniger praktischen, den musischen Teil zuständig. Zum gemeinsamen Einkommen trägt er eher wenig durch seine Auftritte als Musiker in kleinen Clubs bei. Zusammen mit Fernand macht Sami Country Music, was nicht gerade hitverdächtig ist. Ausserdem hat Fernand – mit 75 nicht mehr der Jüngste – ein beträchtliches Alkoholproblem und lebt im Altersheim.

Auch die verkappte Vater-Sohn-Beziehung könnte den Film über Gebühr belasten. Aber Urfer hat auch in dieser Beziehung von den abschreckenden Beispielen gelernt, die es diesbezüglich gibt. Er belässt es bei Streiflichtern, kleinen dramaturgischen Pointen, die Samis Beziehung zu Julia auf äusserst originelle Weise unterfüttern. Sie ist von der Allianz ihres Samis mit dem alten Säufer wenig begeistert. Dennoch bewahrt sich Julia lange eine Engelsgeduld mit Sami und seinem Hang zur Egozentrik.

Weil von ihm keinerlei Einsicht signalisiert wird, zieht Julia eines Tages aus der gemeinsamen Wohnung aus und kündigt dem natürlich völlig verblüfften Sami eine «Beziehungs-Pause» an. Es liegt auf der Hand, dass sich Sami beim erfahrenen Fernand Rat holt, was denn jetzt zu tun sei. Leider erweist sich Fernand dabei als nicht sehr hilfreich. Zumal Sami keine sonderliche Stütze der Beziehung zu Julia gewesen ist und deshalb ziemlich kleinlaut sein sollte. Was Fernand nach alter Väter Sitte ganz anders sieht. Er versucht, den eigenen Beziehungsfrust an den Jüngeren weiterzugeben. Der merkt freilich sehr schnell, dass damit die Frau von heute nicht mehr zu beeindrucken ist und Julia gleich gar nicht.

Pause 02

Da zeigt sich einmal mehr Mathieu Urfers Gespür für feine Nuancen. Für die er immer die angemessene optische Entsprechung findet und den lakonischen Witz der Geschichte von Pause nicht nur behauptet, sondern auch sinnlich wirken lässt. Er macht das mit einer Eleganz, die Ihresgleichen sucht.

Dazu kommt der liebevolle Blick des Regisseurs auf seine Protagonisten – insbesondere auf seinen «Ritter von der traurigen Gestalt», Sami, der so gerne ein Held wäre, der seine Dulcinea glücklich macht. Doch der Mensch ist lernfähig – selbst Sami.

Hinter Sami ist zwar nicht überlebensgross, aber immerhin und sehr diskret François Truffauts ewiger Lebenskünstler Antoine Doinel zu erkennen. Matthieu Urfer macht auch kein Geheimnis daraus, dass ihn Truffaut beeinflusst hat. Aber wirklich nur beeinflusst!

Bei Pause gibt es wohltuend kein Zitat. Es ist der Geist der sechziger und siebziger Jahre, den Urfer en passant in die zehner Jahre des einundzwanzigsten Jahrhunderts übertragen hat. Einem Film über das heutige Lebensgefühl vor allem der Männer, die endlich einsehen müssen, dass sie das schwache Geschlecht sind, was beträchtliche Vorteile hat. Bei Pause gibt ein Könner Nachhilfeunterricht, der Film ist ein Lichtblick im tiefen Tal männlicher Depression!

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 3/2015 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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