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Skizzen von Lou

In Lisa Blatters Erstling Skizzen von Lou lässt uns die haptische Kamera die Dinge spüren und taktil in Lous Welt eintauchen. Doch ihre inneren Wunden werden nicht spürbar.

Text: Tereza Fischer / 01. Feb. 2017

Film ist eine synästhetische Erlebnisform par excellence. Er vermag über Bilder und Töne auch andere Sinne anzusprechen, regt den Geruchssinn oder den Tastsinn an. In Lisa Blatters Erstling Skizzen von Lou lässt uns die haptische Kamera von Gaëtan Varone die Dinge spüren und taktil in Lous Welt eintauchen. Die Kamera ist intim mit den Figuren, sie tastet die Räume ab, gleitet über Oberflächen. Das kühle Wasser, die Haut des Geliebten, vom Wind verwehte Haare, das raue Papier. Für Lou, von Liliane Amuat verspielt bis störrisch gespielt, ist besonders das Wasser ein Element, das sie immer wieder sucht, als müsse sie alles von sich abwaschen. Das Schlechte, aber auch das Gute. Sie badet allein, mit dem Geliebten, mit der Freundin, mit einem Hund.

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Die 29-Jährige ist im sommerlichen Zürich vorübergehend sesshaft geworden und schläft auf dem Sofa einer Freundin. Bald soll es weiter gehen nach Nepal. «Immer weiter, bis es nicht mehr weh tut.» Was Lisa widerfahren ist und sie so demonstrativ unabhängig (oder entwurzelt) hat werden lassen, fragen sich nicht nur die Zuschauer, denen ihr Geheimnis aufs Auge gedrückt wird, sondern auch Aro. Kaum ist er Lous Nachbar geworden, sind sie ein Paar. Obschon sie aus unterschiedlichem Holz geschnitzt sind, ziehen sie sich an. Doch Lou reagiert oft übertrieben panisch auf die Liebesbezeugungen des Künstlers mit albanischen Wurzeln und starker Familienbindung. Es ist ein Wechselbad der Gefühle, ein Hin und Her zwischen Nähe und Distanz. Am Ende ist das Mysterium um Lous Trauma gelöst und der Weg (wahrscheinlich) frei für die Zweierkiste.

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Obwohl die einfache Geschichte Potenzial gehabt hätte, ein sinnliches Liebesdrama zu werden, gelingt es, trotz der wunderbaren Kameraarbeit, kaum ein Knistern und vor allem kaum ein echtes Dilemma der Hauptfigur in den Zuschauerraum hinein zu transportieren. Vieles wirkt behauptet oder wird von Klischees platt gewalzt. Schon im bedeutungsschwangeren Voice-over zu Beginn klärt Lou beispielsweise auf, sie tanze, wenn sie traurig sei. Das tut sie später aber ziemlich ausgelassen und in Momenten, in denen keine Spur von Trauer zu spüren ist. Der Verlust der Mutter bei einem Feuer, bei dem auch Lou eine Brandwunde davontrug, ist der küchenpsychologische Schlüssel zur Bindungsverweigerung. Kein nachvollziehbares emotionales Drama, sondern blosse Oberfläche, die sich in Sätzen wie «Ich konnte mich nicht mal von ihr verabschieden» erschöpft. Sich über das Haptische den Figuren zu nähern wirkt hingegen in dem Sinn konsequent, als Lou sich selbst nicht zu spüren scheint und das Paar sich in ihrer Minenfeld-Beziehung immer wieder an einander vorsichtig herantasten muss.

Was in Skizzen von Lou im Gegensatz zu Jan Gassmanns [art:europe-she-loves:Europe She Loves] nicht gelingt, ist ein Porträt der jungen Generation, auch wenn sich der Film so verkauft. Wäre Lou doch vollkommen grundlos frei und unabhängig, da hätten sich die kindischen Streitereien in ein echtes Aushandeln von Rollen und Positionen emanzipieren können.

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