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The Magnificent Seven

The Magnificent Seven ist ein Remake des gleichnamigen Westernklassikers von John Sturges aus dem Jahr 1960, der seinerseits eine Adaption von Akira Kurosawas berühmten Sieben Samurai (1954) war. Warum heute, fünfzig Jahre nach seinen berühmten Vorbildern, dieses Remake eines Remakes?

Text: Philipp Stadelmaier / 20. Sep. 2016

The Magnificent Seven ist ein Remake des gleichnamigen Westernklassikers von John Sturges aus dem Jahr 1960, der seinerseits eine Adaption von Akira Kurosawas berühmten Sieben Samurai (1954) war. Warum heute, im Jahre 2016, fünfzig Jahre nach seinen berühmten Vorbildern, dieses Remake eines Remakes? Regisseur Antoine Fuqua hat darauf eine äusserst befriedigende Antwort gefunden, und diese ist nicht auf die schale Allerweltserkenntnis zu reduzieren, dass Hollywood heute verstärkt Fortsetzungen und Remakes von alten Klassikern ins Kino bringt, weil ihm die Ideen ausgehen.

Von Kurosawa bis Fuqua ist der Plot folgender: Ein Dorf wird von einer marodierenden Bande ausgebeutet und regelmässig massakriert. Schliesslich eintscheiden die Dorfbewohner, Hilfe zu holen, und zwar in der Gestalt von sieben schiesstüchtigen Outlaws, die in ihr Dorf kommen, um die Bösewichte abzuwehren – was, wenngleich unter etlichen Opfern, dann auch gelingt. Bei Kurosawa handelte es sich um Samurai im mittelalterlichen Japan, Sturges verlegte die Sache in den Wilden Westen. Hier war es ein Dorf von mexikanischen Bauern, das Yul Brynner und Steve McQueen von einer sadistischen Gangsterbande befreien mussten.

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Im Wilden Westen sind wir nun auch bei Fuqua. Der Unterschied zu Sturges aber – und dies wäre all jenen entgegenzuhalten, die hier nichts als ein uninspiriertes Remake entdecken – springt geradezu ins Auge: Die Opfer sind keine mexikanischen Bauern mehr, sondern weisse, christliche, «einfache und hart arbeitende Farmer», die auch nicht mehr von einem exzentrischen Gauner, sondern einem bösartigen Geschäftsmann bedroht werden, der das Dorf aufgrund von wirtschaftlichen Interessen aufkaufen oder gleich dem Erdboden gleichmachen will. Umgekehrt sind die Retter, die das Dorf von der durch gekaufte Sheriffs und brutale Söldner ausgeübten Schreckensherrschaft des Fieslings befreien sollen, nicht mehr eine Bande von «weissen Amerikanern» wie noch bei Sturges, sondern werden angeführt von einem Schwarzen, Chisolm (Denzel Washington), der eine wesentlich buntere Truppe zusammenstellt als jene, die einst Brynner anführte: bestehend aus einem Mexikaner, einem Koreaner, einem Franzosen, einem Indianer, einem Iren und einem gottesfürchtigen Tramper (die natürlich ihrerseits alle «Amerikaner» sind).

In Zeiten eines drohenden Präsidenten Trump könnte die Botschaft nicht klarer sein: Amerika ist ein Einwanderungsland, und der White Trash braucht Multikulti, weil er als Monokultur zu schwach ist, um zu überleben – gerade im Angesicht gewissenloser und gieriger reicher weisser Männer, die sich das Land unter den Nagel reissen wollen. Weswegen weiter auf Actionebene auch sexuelle Gleichberechtigung hergestellt werden muss und hier ebenso wie in den letzten Star Trek-, Star Wars- und Ghostbusters-Filmen eine Heldin (hier: Haley Bennett) ihren Dienst versieht, die mit Waffen umgehen kann. (Der Kritikpunkt in dieser Hinsicht muss dann dennoch lauten: Unter den glorreichen Sieben hätten vielleicht doch noch mehr Frauen als nur diese eine sein müssen.)

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Das interessante ist nun aber weniger, wie sich Fuquas Film von Sturges absetzt und heute seine eigene Aktualität findet, sondern wie er ihm ähnelt. Wie Sturges filmt Fuqua auf 35 mm und übernimmt teilweise sogar dessen Kamerafahrten, die die Reiter auf ihren Pferden begleiten. Das Schöne ist dabei die entspannte Art, auf die Fuqua Sturges zu wiederholen scheint, ohne mit ihm wetteifern zu wollen. Denn wie schon Sturges macht Fuqua letztlich «nur» ein Remake. Sturges ist ja gewiss keiner der Meisterregisseure, den man sich zum künstlerischen Vorbild nehmen würde – anders als der Übergott Kurosawa. Der schönste Tag seines Lebens, hat Sturges einmal erzählt, sei jener gewesen, an dem ihm Kurosawa höchstpersönlich erklärt habe, wie sehr ihm das Remake gefallen habe: Eine Anekdote, in der sich eher Sturges' Stolz auf ein rares Kompliment ausdrückt als sein Wunsch, über Kurosawa irgendwie «hinausgegangen» zu sein. Fuqua, der vor allem durch Musikvideos Karriere gemacht hat, ist nun seinerseits kein Cinephiler, der einem «Meister» folgen und versuchen wollte, ihn weiterzuentwickeln. Wenn Fuqua Sturges «folgt», dann wiederholt er ihn, ohne sich mit ihm zu messen oder ihn übertrumpfen zu müssen, sodass die Neuerungen bei Fuqua Effekte einer entspannten Wiederholung sind, nicht eines erudierten cinephilen Anspruchs auf Meisterschaft.

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Diese erste Ähnlichkeit führt zu einer zweiten, die den Wert des Besonderen, Aussergewöhnlichen weiter relativiert. Denn Sturges hat in seinen The Magnificent Seven, (wie in vielen anderen seiner Filme) etwas übrig für Männer, die Spezialisten sind (meist im Schiessen), aber aus dieser Spezialität keine Befriedigung ziehen können. Das gute Umgehen mit der Waffe, so erklärte es Yul Brynner, ist nichts besonderes und letztlich nur der Ausdruck eines Lebens, das ohnehin nicht viel wert ist: «Man hat in tausend Hotels tausend Mahlzeiten runtergewürgt. Einen Platz, wo man dich mag, gibt es nicht. Man hat kein Zuhause, keine Familie, keine Freunde …» Auf die bei Sturges immer wieder gestellte Frage, warum die gemeinhin opportunistischen Outlaws denn nun überhaupt helfen, lautete die Antwort: Damit ihr Leben wenigstens einen winzigen Sinn erhält.

Bei Fuqua ist das nicht anders. Die Sieben mögen noch so virtuos mit dem Colt oder (im Falle des Koreaners) der Haarnadel umgehen – die Bedeutung ihrer Existenzen endet mit der Befreiung des Dorfes: Die Überlebenden ziehen weiter, die Toten liegen in kalter Erde, der Film ist vorbei. Schon in seinem letzten Film Southpaw hatte Fuqua einen Helden à la Sturges, einen traurigen Spezialisten gezeigt: einen urgewaltigen Boxer, der aber nach dem Verlust seiner Frau mit seinem Talent nichts mehr anzufangen wusste. Ebenso hat der brillante Gunman Chisolm in der Vergangenheit seine Frau verloren. Fuquas Figuren erleiden also einen Verlust, der irreparabel ist und ihre Besonderheit auf Durchschnittsmass stutzt. Zwar kommt Ersatz daher: in Southpaw in Form der Tochter, in den The Magnificent Seven in Form der jungen Frau, die die Outlaws ins Dorf geholt hat und die ihnen tatkräftig hilft. Sie gibt aber weniger dem Mann seine alte Kraft zurück, sondern zeigt ihn erst recht in seiner ganzen Schwäche, die seine Aussergewöhnlichkeit einebnet.

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Nun eröffnet dieser schwarze Held mit traumatischer Vergangenheit zwar einen Dialog mit Tarantinos letzten Filmen Django und [art:hateful-eight:The Hateful Eight], wo schwarze Westernhelden sich für die an ihnen und den ihren begangenen Verbrechen rächten (auch Chisolm hat mit dem bösen Geschäftsmann eine private Rechnung offen). Weiter erinnert Chisolms «Partner», der Ire Faraday (Chris Pratt), in seinem sehr kultivierten Ton («We were in the middle of a gentlemen’s negociation!») sowie seinem speziellen Humor (wie etwa: sich mit lächerlichen Kartentricks aus der Affäre zu ziehen, während man schon auf ihn zielt) an Djangos Partner, den von Christopher Waltz gespielten Dr. Schultz. Aber auch dieser Vergleich mit Tarantino, der seinerseits anders als Fuqua ein cinephiler Meisterschüler und selbst Meister ist, führt wieder auf Sturges zurück. Denn Tarantinos sehr erudierte Cinephilie macht ihn zu einem Innovatoren, der nie das «Besondere» seiner Helden in irgendeiner Weise einschränken würde. Er entfesselt das Genre und seine Figuren von sich selbst und erfindet mit Django einen veritablen neuen mythischen Helden (wie Siegfried, von dem ihm Schultz erzählt, aber «entfesselt» von seiner arischen Disposition: schwarz), während Fuqua etwas macht, was Tarantino nie machen würde: ein schlichtes Remake.

Fuqua bewegt sich einfach «in» Sturges, als sei es der gleiche Film, mit dem einzigen Unterschied, dass das Personal nun nicht mehr nur aus weissen Männern besteht – was hier aber ebenso wenig als Besonderheit herausgestellt wird wie in Sturges Film die Tatsache, dass es sich um Weisse handelt. Während bei Tarantino der Rassismus direkt auftaucht und mit der ganzen schillernden Kreationskraft des Kinos und der Originalität seiner Helden konfrontiert wird, gibt es bei Fuqua nicht eine einzige rassistische Bemerkung in Bezug auf Chisolms Hautfarbe, auf Asiaten oder Indianer. Was mit das Schönste an Fuquas Film ist.

Warum also heute, 2016, dieses bescheidene Remake eines Films von 1960? Weil die Botschaft lautet, dass es im Jahre 2016 selbstverständlich sein sollte, dass ein Schwarzer die Bande der Sieben anführt. Aber diese Botschaft kann nicht innovativ und aggressiv vorgetragen werden, soll diese Selbstverständlichkeit nicht preisgegeben werden. Daher darf sie nur als Wiederholung und sanfte Modulation des früheren Films existieren – weil diese Selbstverständlichkeit nicht erst heute, sondern schon im Film von 1960 hätte möglich sein sollen.

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