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Aunitedkingdom 233

A United Kingdom

A United Kingdom gehört zum «Kino der Empörung» und bezieht eine klare Position zu der rassistischen Politik des Commonwealth.
Dennoch bleibt eine Irritation, weil der Film in der Darstellung der afrikanischen Kultur auf Szenarien und Bildtraditionen zurückgreift, die in die Geschichte des kolonialistischen Abenteuerfilms zurückweisen.

Text: Hans-Jürgen Wulff / 11. Apr. 2017

1947, London. Seretse Khama, Sohn eines Königs aus dem afrikanischen Betschuanaland, einem britischen Protektorat nördlich von Südafrika, studiert Jura, um später die Nachfolge seines Onkels Tshekedi, des Zwischenkönigs, anzutreten. Auf einer Tanzveranstaltung lernt er die 23-jährige Ruth Williams kennen, die als Bürokauffrau bei der Versicherung Lloyd’s of London arbeitet. Die beiden eint schnell die Liebe zum Jazz und die Erfahrung des anderen im Lindy Hop zu den Klängen einer Swing-Big-Band. Sie verlieben sich ineinander, wollen sogar heiraten – im England der Nachkriegszeit ein Skandal, der nicht nur auf die strikte Ablehnung des Vaters der jungen Frau trifft, sondern auch die Vertreter der englischen Kolonialbürokratie aktiviert; Sir Alistair Canning, ein hoher Verwaltungsbeamter, sucht Ruth das Vorhaben auszureden – mit Verweis auf das nahe Südafrika, in dem gerade die Apartheitsgesetze verabschiedet werden, auf dessen Rohstoffe und Wirtschaftsleistung das Commenwealth angewiesen sei. Als das Paar gegen alle Widerstände heiratet und nach Betschuanaland fliegt, bricht auch der Konflikt zwischen Seretse und seinem Onkel auf, der zur Spaltung der politischen Kräfte im Land führt, obwohl Seretse die Zustimmung der Volksversammlung gewonnen hat.

Die Situation ruft erneut die britische Kolonialverwaltung auf den Plan, sie beordert das Paar zurück nach London. Seretse, der allein geflogen ist, wird mit fünfjähriger Verbannung aus seiner Heimat belegt. Ruth ist in Afrika geblieben, gebärt das erste Kind – und setzt die Mittel der Öffentlichkeit ein, um ihrem Mann die Rückkehr zu ermöglichen. Zwar verspricht Churchill vor der Wahl 1951, Seretses erzwungenes Exil aufzuheben, doch bricht seine Administration die Zusage, verlängert das Dekret sogar auf Lebenzeit. Erst mit Hilfe britischer Oppositioneller gelingt es, die Genehmigung zur Rückkehr zu erlangen. Vorher noch gelang es, nicht nur die Einsetzung eines britischen Gouverneurs zu verhindern, sondern auch, eine geheime Genehmigung, die die Briten amerikanischen Minenbetreibern zur Erkundung der Böden Betchuanalands erteilt hatten, öffentlich zu machen und die Regierung zu einer öffentlichen Versicherung zu bewegen, dass alle Bodenschätze, die dort gefunden werden, den Bewohnern Betchuanalands zustehen.

Natürlich steht die Wiedervereinigung des Paares am Ende der Geschichte des Films – bei aller historischen Genauigkeit (erst am Ende verlässt der Film die historischen Fakten) ist A United Kingdom eine politische romantische Komödie, die Geschichte einer Liebe, die sich über alle Politik hinwegsetzt. Schon die ausgelassene Bewegung der beiden Protagonisten beim Tanz deutet auf eine gegenseitige Faszination des einen am anderen hin, die allen Behinderungen und Einwürfen zum Trotz am Bestehen der Beziehung festhält. Die beiden bindet nicht nur eine Liebe, auch wenn sich der Film in intimen Szenen auf das konzentriert, was zwischen den beiden geschieht. Es ist vielmehr eine politische Liebe, die schon nach kurzer Zeit in der Öffentlichkeit stattfindet und auf massive Gegenwehr stösst. Rassistischer Art, weil die sexuelle Verbindung zwischen ethnisch Verschiedenen nicht nur in England, sondern auch – unter allerdings ganz anderen Vorzeichen – in Betschuanaland unter einem stillschweigenden Diktat der «Rassenschande» stand; und politischer Art, weil sich in der Politik der Apartheid ebenso wie in der Realität der Rassentrennung in den britischen Kolonien, vor allem aber auch unter der Vorgabe der Duldung der Apartheidspolitik Südafrikas durch die Briten eine Ehe wie die zwischen Seretse und Ruth den Versuch politischer Unterdrückung der Ehe hervorrufen muss.

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Seretse ist in England im erzwungenen Exil, Ruth schwanger in Afrika. Sie wird zunächst abgewiesen und angefeindet. Doch mit dem Kind im Arm und der Zuwendung durch Seretses Schwester findet sie die Anerkennung der Frauen (und später auch der Männer). Sie geht den gleichen Weg wie die Eingeborenen, wie es im Film heisst. Je mehr sie integriert wird, je mehr sie akzeptiert, was sie vorfindet, desto harscher und zynischer, ja gewalttätiger werden die Vertreter der britischen Administration (und sogar der weissen Bevölkerung Betschuanalands) gezeichnet. Dramaturgisch ist die Kennzeichnung der weissen Repräsentanten der Macht höchst wirkungsvoll, weil sie eine «kalte Antipathie» des Zuschauers und ihn, damit verbunden, um so mehr gegen die Figuren politisch und dramatisch einzunehmen gestattet. A United Kingdom gehört zum «Kino der Empörung» und bezieht eine klare Position zu der rassistischen Politik des Commonwealth.

Und dennoch bleibt eine Irritation, weil der Film in der Darstellung der afrikanischen Kultur auf Szenarien und Bildtraditionen zurückgreift, die in die Geschichte des kolonialistischen Abenteuerfilms zurückweisen. Die Darstellung der Volksversammlung als ein ungeordnetes Zusammen aller Erwachsenen, die Abstimmung als gemeinsame vokal abgegebene Bekundung; der Halbkreis der singenden Mütter, die Ruth als inzwischen in den Kreis des Stammes aufnehmen (sie singen ein Lied, das durch Miriam Makeba international bekannt wurde); und auch die Szenen, die Ruth zeigen, wie sie den Frauen beim Bau der Lehmhütten hilft: Das ist das Afrika, das aus Filmen vor allem der 1950er bekannt ist, in Szenen, in denen die «integrativen Weissen» immer als Zivilisationsgestalten herausgehoben sind, die es geschafft haben, die Ablehnung als «Fremde» zu durchbrechen. Dem zivilisatorischen Dilemma, den Bewohnern der Dritten Welt mit dem Wissen über die Bilder, die der Film und alle anderen Künste hervorgebracht haben, begegnen zu müssen, können weder Filmemacher noch Zuschauer entkommen. Der mehrfach geäusserte Leitspruch des Films: «Frei ist nur der, der über sich selbst bestimmen kann!» wirkt darum auch wie eine westlich-aufgeklärte Devise, die die koloniale Befreiung erst ex post motivieren kann, der der Film zuarbeitet, die aber zumindest einigen Szenen des Films zuwiderläuft.

Für die filmische Verarbeitung der historischen Prozesse, die schliesslich zur Auflösung der Kolonialreiche führten, zum Ende der Apartheitspolitik und 1966 zur Gründung der Republik Botswana, die aus dem Protektorat Betschuanaland hervorging und deren erster Präsident Seretse Khama wurde, sowie für ein tieferes Verständnis der zynischen Machtpolitik, mit der die britische Administration das Commonwealth zusammenhielt: A United Kingdom ist nicht nur eine romantische Komödie, die manchmal zutiefst anrührende Szenen (vor allem stumme Blickmontagen) enthält, sondern auch ein politisch-historisches Aufklärungsstück, das den Zuschauer für das Recht auf Selbstbestimmung einnimmt und ihm vielleicht hilft, sich in den aktuellen Debatten über das Verhältnis von Erster und Dritter Welt klarer positionieren zu können.

United

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