Vom Ernst der Leichtigkeit
«Das Benehmen dieses Sommers scheint mir gar unglückselig …» Der letzte Satz aus Jiří Menzels Ein launischer Sommer (Rozmarné léto) ist in der Tschechoslowakei zum Bonmot geworden. Dass sich das Leben meistens nicht so verhält, wie man es sich vorgestellt hat, geht den Figuren des Films spät auf. Der mittlerweile 78-jährige tschechische Regisseur hat dies offenbar bereits früh in seinem Leben erkannt, und er strahlt diese Einsicht mit grosszügiger Bescheidenheit aus. Wenn er etwa in To Make a Comedy Is No Fun, dem Porträt von Robert Kolinsky, erzählt, wie ihn Alfred Hitchcock empfing, nachdem Scharf beobachtete Züge (Ostře sledované vlaky) 1966 einen Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film erhalten hatte. Während sich Hitchcock über Menzels Werk anerkennend und ausführlich äusserte, konnte der Tscheche nichts Vergleichbares erwidern; im Ostblock hatte er bis dahin bloss einen einzigen Film des Master of Suspense gesehen.
Menzel mag den Erfolg seines ersten Langspielfilms als Zufallstreffer bezeichnen, doch der Film, der Ende des Zweiten Weltkriegs spielt und ein schweres Thema aufgreift, verbindet gekonnt Humor und Ironie mit fantasievoller Sinnlichkeit und zeigt liebevoll die Banalitäten des Lebens. Dahinter aber blitzt immer wieder der bittere Ernst auf. Scharf beobachtete Züge ist das Ergebnis der «Vermählung» zweier verwandter Geister: Menzel hat sich dafür mit der Galionsfigur der tschechischen Gegenwartsliteratur, Bohumil Hrabal zusammengetan. Der lakonische Witz und die Ironie des volksnah schreibenden Hrabal, sein «spontaner Surrealismus», vereinen sich mit Menzels Gespür für Bilder, die zwischen dokumentarischer Unmittelbarkeit und beiläufiger Magie oszillieren. (Auszug aus dem Programmtext von Tereza Fischer. Ihr Interview mit Jiří Menzel ist in Filmbulletin 7.16 erschienen.)
Die Kurzreihe im Filmpodium Biel beihaltet drei Meisterwerke von Jiří Menzel in restaurierter Fassung – Scharf beobachtete Züge (Ostře sledované vlaky), Ein launischer Sommer (Rozmarné léto) und Lerchen am Faden (Skřivánci na niti) – und den Dokumentarfilm To Make a Comedy Is No Fun von Robert Kolinsky. Bei Trigon-Film sind die vier Filme als DVD-Box erhältlich.
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