Kunst muss Grenzen sprengen. Das traf im 20. Jahrhundert besonders auf das Kino zu, das im Zeichen des gesellschaftlichen Umbruchs ab Mitte Jahrhundert regelmässig Skandale hervorbrachte, unbeabsichtigt oder bewusst provoziert. Oft reichte die Thematisierung von Sex, Gewalt, Staat oder Religion, um massive Entrüstung und Aufführungsverbote hervorzurufen.
Heute, in einer Zeit ständiger medialer Empörung, haftet dem Skandal etwas Altertümliches an. Angst um die Grundfesten der Gesellschaft vermag das Kino nicht mehr zu erzeugen.
Die Reihe royalSCANDALcinema unternimmt eine Reise in Zeiten, in denen das Kino noch für Eklats sorgt. Sie zeigt, welche Grenzen überschritten wurden, welche Bilder heute noch bewegen und fragt, wie abgestumpft unsere Gesellschaft wirklich ist. Vor den Vorführungen erläutert ein Referent die Bedeutung des jeweiligen Films, seinen historischen und kulturellen Kontext: Wie wurde der Film thematisiert, wie entwickelte sich der Skandal und wie wurde der Film später rezipiert.
Thematisch kreist das Programm um die jüngere Militärgeschichte und die gesellschaftliche Sprengkraft von Liebe und Sex:
«Den Anfang macht am 5. Januar Dušan Makavejevs Meisterwerk W. R. Misterije Organizma. Makavejevs subversiv-sinnliche Collage aus Spiel-, Dokumentar- und Aufklärungsfilm aus dem Jahr 1971 verknüpft die Themen Sexualität und Politik in surrealistischer Form. Dadurch gewinnt sein Film W. R. Misterije Organizma die inspirierende Kraft einer grossen Utopie, gegen die sich die Behörden in seiner Heimat Jugoslawien nur mit einem Aufführungs- und Berufsverbot zu helfen wussten. Dass das Thema Sex auch noch 25 Jahre später für Skandale sorgen konnte, beweisen Deepa Mehtas Fire und Kids von Larry Clark. Während Fire wegen der verbotenen, lesbischen Beziehung der Hauptfiguren in Indien für hitzige Reaktionen sorgte, stiess Kids in den USA auf wenig Gegenliebe, da er heikle Themen wie HIV in der harten Sprache der Grossstadt-Jugend thematisierte. Auf die andere Seite der Gefühlsskala begibt sich royalSCANDALcinema mit dem italienischen Pseudo-Dokumentarfilm Africa Addio über die ostafrikanischen Unruhen Mitte der 1960er Jahre. Ein Film, der dem Regisseur Gualtiero Jacopetti eine Anklage wegen Beihilfe zur vorsätzlichen Tötung einbrachte sowie in Deutschland und der Schweiz anti-rassistische Studentenkundgebungen auslöste. Etwas zivilisierter geht es in den beiden Kurzdokumentationen Fortress of Peace von John Fernhout und Ormenis 199+69 von Markus Imhoof zu, deren Entstehungsgeschichten zeigen, dass es nicht einfach war, in den 1960er-Jahren einen Film über das Schweizer Militär zu drehen.»
Gefällt dir Filmbulletin? Unser Onlineauftritt ist bis jetzt kostenlos für alle verfügbar. Das ist nicht selbstverständlich. Deine Spende hilft uns, egal ob gross oder klein!