In der Geschichte des US-amerikanischen Spielfilms war Ida Lupino Mitte des 20. Jahrhunderts eine von lediglich vier Frauen, die sich als Regisseurinnen behaupten konnten. 1918 als Tochter eines Schauspielerpaars in London geboren, kam Ida Lupino nach ersten Rollen im britischen Kino im Alter von fünfzehn Jahren nach Hollywood und wurde schnell zum Star. Als Schauspielerin lernte sie, sich im Studiobetrieb durchzusetzten. Den Wechsel zur Regie dürfte ihr aber vor allem ein Anti-Trust-Urteil des Obersten Gerichtshof erleichtert haben, das 1948 die Übermacht der grossen Studios brach und den Markt für kleinere Produktionsfirmen öffnete. Lupino gründete mit ihrem zweiten Mann Collier Young, einem Mitarbeiter bei Columbia, und dem Produzenten und Drehbuchautor Anson Bond die Produktionsfirma The Filmakers (sic) und führte nach ersten Schritten als Drehbuchautorin und Produzentin 1949 bei Not Wanted erstmals Regie. In sieben Jahren brachten die Filmakers zwölf Filme heraus, sechs davon unter der Regie von Ida Lupino, die ausserdem als Schauspielerin und Autorin an weiteren Projekten beteiligt war. Die Firma zerbrach am Versuch, ihre Filme selber zu vertreiben, und Lupino begann nach der Gründung einer Firma für Fernsehfilme und -serien mit neuen Partnern fast ausschliesslich für das Fernsehen zu arbeiten.
Lupinos TV-Karriere als Regisseurin und Schauspielerin war äusserst fruchtbar, ihr Ruhm als Film-Pionierin gründet jedoch hauptsächlich auf ihren persönlicheren Filmmakers-Produktionen, die mit sehr wenig Geld und ohne grosse Stars entstanden, dafür aber auf «heisse» Storys und brisante Themen setzten, die sich nicht immer, aber oft um weibliche Hauptfiguren drehten: eine schwangere Unverheiratete in Not Wanted, eine an Kinderlähmung erkrankte Tänzerin in Never Fear, eine Buchhalterin, die vergewaltigt wird, in Outrage, ein von der Mutter vermarkteter Tennisstar in Hard, Fast and Beautiful, ein Killer-Autostopper in The Hitch-Hiker oder einen doppelt verheirateten Handelsvertreter in The Bigamist. Klingen die Titel und Stoffe provokativ oder gar reisserisch, so setzte Lupino dem eine dokumentarisch geprägte Darstellung und eine das Sentimentale meidende Sachlichkeit entgegen. Ihre Filme zeichnen sich durch die sorgfältige Porträtierung ihrer Figuren aus, als häufiges Motiv lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen (passiver) Anpassung und (aktivem) Widerstand ausmachen, was nicht zuletzt ihre eigene Erfahrung und Auseinandersetzung mit den traditionellen Geschlechterrollen reflektiert.
Ausfühlicher Text zu Ida Lupino siehe hier.
Das Filmpodium Zürich widmet der Regie-Pionierin Ida Lupino eine Retrospektive mit ihren Arbeiten als Regisseurin, aber auch Filmen, die sie als Schauspielerin geprägt hat, so etwa While the City Sleeps (1956) von Fritz Lang oder The Big Knife (1955) von Robert Aldrich. Im Rahmen eines Workshops mit Referaten und einem Podium diskutieren Norbert Grob, Elisabeth Bronfen, Ivo Ritzer und Hanna Schoch an fünf Abenden unterschiedliche Aspekte der Arbeit von Ida Lupino. Ein Vortrag von Martin Girod rückt ihre Karriere als Schauspielerin, die schon als Kind begann, ins Zentrum.
Das Arsenal in Berlin zeigt im Julie fünf Filme von Ida Lupino als Regisseurin sowie weitere Filme mit ihr als Darstellerin.
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