Auf dem Höhepunkt gesellschaftspolitischer Liberalisierung brachte Lucian Pintilie 1969 mit Reconstituirea einen Film ins Kino, der in vielerlei Hinsicht Kritik am kommunistischen Regime Rumäniens übte. Nun ist er in der Reihe «royalscandalcinema» neu zu entdecken
Als Tragikomödie inszeniert, entpuppt sich Reconstituirea als radikaler Angriff auf die herrschenden politischen Verhältnisse – zu einer Zeit, in welcher Nicolae Ceaușescu, der erst seit drei Jahren an der Macht war, als Hoffnungsträger gehandelt wurde und die Kulturpolitik Rumäniens als gesellschaftspolitisch liberal galt. Pintilie fokussierte auf den Missbrauch von Macht, auf die Inkompetenz und Willkür der Funktionäre und die Gleichgültigkeit der Mitbürger. Reconstituirea kann als Metapher gelesen werden für die Abstumpfung einer Gesellschaft, die unter der harten Hand eines totalitären Regimes steht, unfähig ihr Geschick zu kontrollieren, gleichsam indifferent gegenüber Verfolgungen von Mitmenschen. Der wachsende Erfolg des Films gab den Behörden zu denken: Kurz darauf war wieder Schluss mit künstlerischer Freiheit, die Zensur wurde reaktiviert.
Eingeführt wird der Film durch Patricia Pfeifer, Filmwissenschaftlerin an der Universität Zürich und profunde Kennerin des osteuropäischen Filmschaffens.
Über das Projekt «royalscandalcinema»:
Seit der Erfindung des Kinos brachte das Filmschaffen regelmässig neue Skandale hervor, zum Teil unbeabsichtigt, zum Teil bewusst provoziert. Regisseure und Schauspielerinnen wurden verteufelt, Bürgerbewegungen sorgten sich um den Erhalt von Sitte und Moral und forderten Zensur. Trotz oder gerade wegen dieser Proteste sind viele Filme in die Annalen der Geschichte eingegangen.
Der Film- und Diskussionszyklus «royalscandalcinema» geht diesem Phänomen nach und unternimmt eine Reise in skandalträchtigere Zeiten, in welchen das Kino noch für Eklat sorgen konnte. Zusammen mit Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen akademischen Disziplinen zeigt «royalscandalcinema» auf, welche Grenzen unwiderruflich überschritten wurden, welche Bilder heute noch bewegen und geht der Frage nach, wie abgestumpft unsere Gesellschaft denn wirklich ist.
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