"Der rote Faden in Reygadas’ Filmen sind die Widersprüche, in die sich Menschen verwickeln, und die Grenzen, die sie überschreiten, weil sie etwas suchen, wodurch sie über sich selbst und die prosaische Welt hinausgelangen. Dieses Darüberhinaus kann man Transzendenz nennen, Spiritualität – oder Kunst." Das schreibt Michael Pfister im Programmheft des Kinos Xenix über Reygadas’ Werk, das sich in den nächsten Wochen im Xenix zur Gänze entdecken lässt.
Im aktuellen Filmbulletin führt derselbe Autor aus, wie man sich das konkreter vorzustellen hat: "Aber vor allem lebt Nuestro tiempo von unspektakulären, geduldigen Bildern einer unbewegten Kamera, die fast ohne Dialog und Drama auskommen: Ein Pick-up fährt im Abendlicht an einer Baumreihe vorbei, in den Blättern spielt ganz leicht der Wind, ein paar Vögel fliegen darüber hinweg und suchen sich einen Schlafplatz; der Regen weicht die rissigen Erdschollen auf; minutenlang blicken wir auf ein geschlossenes Tor, vor dem drei Schäferhunde dösen, hören dabei eine Suite von Alfred Schnittke und eine heitere Kinderstimme, die uns von den Seelen-nöten des Protagonisten berichtet; im Morgennebel, zwischen knorrigen Bäumen, ächzen archaisch und obszön die Stiere; im Palacio de Bellas Artes, Mexikos berühmtestem Konzertsaal, hören wir ein Paukenkonzert, das klingt wie der Herzschlag der Welt. Und als Ester mit selbstvergessener Miene in ihrem Pick-up von einem Schäferstündchen mit Phil auf den Rancho zurückkehrt, finden wir uns unversehens im Motorraum des Autos wieder, wo die Schläuche vibrieren und die Riemen rotieren – zum Sound der CD, die Ester eingeschoben hat: «Carpet Crawlers» von Genesis, mit dem berühmten Refrain «You gotta get in to get out». Mittendrin sind wir im Getriebe des Begehrens."

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