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While were young

Noah Baumbach

Noah Baumbach hat mit While We’re Young eine wunderbare Komödie über zwei Generationen gemacht. Im Gespräch mit Frank Arnold erzählt er, wie viel von ihm selbst im Film steckt, spricht über Ben Stiller, Woody Allen, Brian de Palma und Peter Bogdanovich sowie nicht realisierte Lieblingsprojekte.

Text: Frank Arnold / 11. Aug. 2015

Mister Baumbach, Ihr Film While We’re Young wird als Film über zwei Paare und zwei Generationen angekündigt …

Ich sehe das nicht in so grossen Kategorien, ich denke eher an Figuren, die ich verstehe. Ich wäre viel zu eingeschüchtert, um etwas über eine ganze Generation auszusagen. Ich hatte einige Ideen im Kopf und eine davon kreiste um Paare. Manchmal ist es in einer Beziehung leichter, über die Angelegenheiten anderer zu sprechen als über die eigenen. Dazu versuchte ich mir eine Geschichte auszudenken und brachte das mit anderen Ideen zusammen, zumal dem Gefühl «Ich kann nicht glauben, wie alt ich schon bin!». Das ist ganz menschlich, aber es macht einem doch zu schaffen.

Sie haben mit der Arbeit an diesem Drehbuch bereits vor mehreren Jahren begonnen. Haben Sie daran Änderungen vorgenommen nach der Erfahrung, Frances Ha (Kritik) zu drehen, in dem sich alles um eine junge Frau dreht?

Frances Ha hat sicherlich Auswirkungen auf diesen Film gehabt. Ich würde aber nicht sagen, dass ich grössere Änderungen vorgenommen habe. Die Geschichte ist gleich geblieben: Was es bedeutet, sich klarzumachen, wie alt man ist, was es bedeutet, in einer langjährigen Beziehung zu leben. Die Figuren von Ben Stiller und Naomi Watts leben ein sehr rationales Leben. Sie kommen nach Hause und sprechen darüber, wie zufrieden sie mit den Entscheidungen sind, die sie getroffen haben, und über die vermeintliche Freiheit, die sie haben. Ich würde das nicht authentisch nennen, sie machen sich in vielerlei Hinsicht etwas vor und finden Rechtfertigungen für das, was sie tun. Ich finde, es ist nichts falsch an der Art, wie sie leben – aber man spürt schon früh, dass sie sich selber nicht ganz sicher sind. Und genau das ist der Punkt, wo Jamie und Darby in die Geschichte hineintreten.

Werden diejenigen, die Sie besser kennen, etwas von Ihnen in Ben Stillers Figur wiederfinden können?

Nicht nur in ihr, das zieht sich durch den ganzen Film. Erst als ich ihn abgedreht hatte, erkannte ich, wie viel das war.

Aber Sie haben nie etwas Albernes gemacht wie er, etwa einen Hut gekauft?

Ich habe nie einen Hut gekauft.

Eine Frage, die mich als langjährigen Fan der «Kinks» interessiert: Hat deren LP «Lola vs. Powerman», die Ben Stiller in der Wohnung von Jamie und Darby aus dem Plattenregal zieht, eine besondere Bedeutung für Sie?

Ich liebe diese Platte! Ich habe das nicht ins Drehbuch geschrieben, aber sie war da. Es gibt auch einige andere Einstellungen, wo er andere Platten herauszieht.

Waren das alles Ihre eigenen Schallplatten?

Nein – obwohl ich eine ganze Menge besitze. Aber in New York findet man viele Plattensammler.

Für mich ist While We’re Young nur in zweiter Linie ein Film über zwei Paare, in erster Linie ist er einer über die Figur, die Ben Stiller verkörpert. Wie sehr können Sie sich mit den Auffassungen von Josh identifizieren, was Wahrheit und Aufrichtigkeit in seiner Arbeit angeht? Er macht Dokumentarfilme, Sie selber haben bisher nur Spielfilme gedreht. Gelten solche Prinzipien dort auch?

Wenn man Figuren schreibt, die in der Realität verwurzelt sind, dann gibt es eine psychologische und emotionale Glaubwürdigkeit, die man anstrebt. Das ist natürlich etwas anderes als dokumentarische Wahrheit, aber sie steht doch in Beziehung dazu: Die Figuren müssen auf wahrhaftige Weise agieren. Das versuche ich, in meiner Arbeit zu verwirklichen. Ich habe eine Beziehung zu vielem, was Bens Figur macht, aber dieser Josh hat auch gewisse Vorstellungen, die naiv sind, das ist eine Blase, die im Verlauf der Geschichte platzt.

Nach Greenberg ist das Ihr zweiter Film mit Ben Stiller …

Bei dem hatten wir eine gute Zeit, so habe ich While We’re Young mit ihm im Kopf geschrieben.

Die finale Konfrontation, als Ben Stiller Adam Driver zur Rede stellt wegen der Unaufrichtigkeiten und Manipulationen, die dessen dokumentarischen Film kennzeichnen, haben Sie mit der Musik und durch den Schnitt wie einen Thriller inszeniert.

Josh hat Jamie zu einer Art Symbol gemacht, ihm eine Bedeutung verliehen, die diese Figur nicht hat. Kein menschliches Wesen kann so voller Bedeutung sein. Er ist nur soweit ein Schurke, wie Josh ihm erlaubt, einer zu sein. Der Stil des Films greift das insofern auf, als er in der Vorstellung von Josh tatsächlich ein Thriller ist – wie ein Film von Alan J. Pakula, in dem er dem Schurken die Maske vom Gesicht reisst. In Wirklichkeit haben wir es aber mit einem Betrug zu tun, der persönlicher Natur ist. An diesen Punkt bringt uns der Film am Ende zurück.

Die Konfrontation verläuft allerdings schliesslich eher im Sand, Josh bekommt keine Unterstützung …

Ja, da kommt das wirkliche Leben wieder in die Fiktion hinein.

In dieser Schlusssequenz hat Peter Bogdanovich einen kurzen Auftritt, der aber doch eine wichtige Funktion hat.

Für die Rolle desjenigen, der in While We’re Young den Preis an den Dokumentarfilmer vergibt, wollte ich jemanden, der ein gewisses Gewicht und für den Zuschauer eine sofort erkennbare Bedeutung hat. Zum Glück war Peter vor Ort, warf sich in einen Smoking und hielt diese kurze Ansprache.

In diesem Sommer kommt in den USA und – drei Wochen nach Ihrem Film – in Deutschland She’s Funny That Way in die Kinos, der erste Kinofilm, den Bogdanovich nach 13 Jahren gedreht hat. Dabei haben Sie ihn unterstützt, Sie sind, wie Wes Anderson, einer der Produzenten.

Peter ist seit vielen Jahren ein Freund, seit ich ihn Ende der neunziger Jahre für eine kleine Rolle in meinem zweiten Film Mr. Jealousy besetzt habe – übrigens als Psychotherapeuten, eine Rolle, in die er dann einige Jahre später in der Fernsehserie The Sopranos mit grossem Erfolg erneut geschlüpft ist. Ich schätze seine Filme sehr, ich schätze ihn auch als Person. Bei seinem Film haben Wes und ich ihn vor allem bei der Suche nach Geldgebern unterstützt.

Bogdanovich hat einen seiner schönsten Filme, They All Laughed, in New York gedreht und dabei, auch mit Hilfe des Kameramannes Robby Müller, ganz neue Seiten an der Stadt entdeckt. Wie war es für Sie, als Sie nach Greenberg, der in Los Angeles gedreht wurde, nach New York zurückkehrten?

Nach New York zurückzukehren hat mir gut getan. Das war eine bewusste Entscheidung. Ich habe lange dort gelebt und die Stadt nach Greenberg mit neuen Augen gesehen, dabei spielte auch eine Rolle, dass die Figuren in Frances Ha jünger waren als ich es jetzt bin. Früher habe ich alles hier gedreht, auch Margot at the Wedding, der auf dem Lande, aber in der Umgebung von New York spielte.

Dann könnten Sie Woody Allen, der seit Jahren in Europa dreht, als Aushängeschild des New Yorker Filmemachers ablösen …

Zumindest mein nächster Film, Mistress America, ist auch dort entstanden. Ich würde aber auch gerne einmal in Europa drehen. Natürlich ist Woody Allen ein Vorbild für mich. Als ich seine Filme im Teenageralter entdeckte, hatte ich das Gefühl, das viele haben: Er mache Filme nur für mich. Ich fühlte mich ihnen sehr verbunden, zumal wir auch einige Parallelen in der Biografie haben. Wir wuchsen beide in Brooklyn auf und ich besuchte dieselbe High School wie er. Seinen Filmen fühle ich mich immer noch nahe, er hat eine eindrucksvolle Karriere hingelegt und ist sich treu geblieben.

Sind es bei Brian DePalma auch seine frühen New York-Filme Greetings und Hi, Mom, für die Sie ihn schätzen? Ich war schon überrascht, als ich auf der amerikanischen DVD seines Thrillers Blow Out ein einstündiges Gespräch entdeckte, dass Sie mit ihm führten.

Ich liebe Brians Filme. Die Filme, die ich schätze, müssen nicht unbedingt einen direkten Einfluss auf meine eigenen Filme haben. Ich liebe auch die Filme von Hitchcock, Fritz Lang und David Cronenberg. Die haben vielleicht nicht direkt meine Arbeit beeinflusst, aber sicher mein Leben. Brian ist auch ein guter Freund geworden, nachdem wir während des New York Film Festivals ein Gespräch führten, bei dem wir Ausschnitte aus unseren Filmen präsentierten. Da gab es diesen Clip aus Carlito’s Way, wo der Protagonist die Tänzerinnen hinter dem Fenster sieht und dann auf das Dach geht – eine wunderbare Seqeunz, nach der Brian erzählte, dass sie nicht weit von seiner Wohnung entfernt gedreht wurde und er selber diese Tänzerinnen gesehen hat. Das war einerseits ein Genre-Film, aber auch einer, der davon erzählte, was es bedeutet, in New York zu leben. So ähnlich arbeite ich auch, da fliesst vieles aus der Stadt ein, etwa die Erinnerung an eine bestimmte Strasse in Brooklyn, wo ich aufwuchs.

Wie Bogdanovichs She’s Funny That Way knüpft auch Ihr jüngster Film, Mistress America (geschrieben zusammen mit Greta Gerwig, die auch eine der Hauptrollen spielt), an das Genre der Screwballkomödie an. Er läuft im August in den USA an und soll im Dezember auch bei uns zu sehen sein.

Der Abstand der Kinostarts ist kürzer als der Abstand der Dreharbeiten. Ich wollte While We’re Young schon vor Frances Ha drehen, aber das klappte aus verschiedenen Gründen nicht, Ben Stiller drehte damals Walter Mitty und da er dabei auch Regie führte, war er für längere Zeit unabkömmlich. Greta und ich hatten das Drehbuch für Frances Ha schon geschrieben, so drehten wir den Film, obwohl wir wussten, das wir ihn nicht fertigstellen würden vor dem Dreh von While We’re Young. Denn dafür hatte ich nur einen engen Zeitraum zur Verfügung, der mit der Verfügbarkeit von Ben Stiller zusammenhing.

Die Erfahrung, einen Film zu drehen, dann einen weiteren und erst danach den ersten Film zu schneiden, haben Sie zum ersten Mal gemacht. War das eine positive Erfahrung? Hat die Erfahrung, den zweiten Film zu drehen, Auswirkungen auf den Schnitt des ersten gehabt?

Ja – ohne dass ich jetzt sagen würde, dass ich das künftig immer so machen möchte. Das hat sich einfach so ergeben. Glücklicherweise sind die beiden Filme sehr unterschiedlich, sodass ich keine Probleme hatte, sie in meinem Kopf auseinanderzuhalten. Ich wäre wohl nicht in der Lage, zwei Filme parallel zu drehen, aber mit zwei Filmen, die sich in unterschiedlichen Stadien befinden, hatte ich kein Problem. Ich hatte bei meinen letzten drei Filmen weitgehend dieselbe Crew, so entwickelt man sich gemeinsam weiter. Leute, die Mistress America schon gesehen haben, haben auf thematische Parallelen hingewiesen – die nehme ich nicht so bewusst wahr.

Angekündigt ist der Film The Emperor’s Children, eine Komödie über eine Gruppe von Universitätsfreunden, die ihrem 30. Geburtstag entgegensehen, in den Monaten vor dem 11. September 2011 …

Das ist eine Adaption des gleichnamigen Romans von Claire Messud, die ich vor ziemlich langer Zeit geschrieben habe, ich weiss aber nicht, ob ich dabei Regie führen werde. (mittlerweile wird auf imdb die Schauspielerin und Regisseurin Lake Bell als Regisseurin genannt [Anm.]).

Mit Wes Anderson haben Sie nicht nur am Drehbuch für dessen The Life Aquatic According to Steve Zissou gearbeitet, sondern auch am Stop-Motion-Film Fantastic Mr. Fox. Ihr Interesse am Animationsfilm setzte sich fort mit Madagascar 3: Wurden Sie da engagiert, um die Dialoge aufzupolieren, etwa die für den von Ben Stiller gesprochenen Löwen?

Ben Stiller hat in der Tat die Verbindung zu Dreamworks hergestellt. Ich kam allerdings schon relativ früh hinzu. Mir gefielen die ersten beiden Filme und fühlte mich vom Angebot geschmeichelt – das war ein interessanter Prozess, weil Animation so viel Zeit erfordert. Man kann dabei viel ausprobieren, das erinnerte mich eher an die Inszenierung eines Bühnenstücks, wo man auch sehen kann, ob etwas funktioniert. Das hat wirklich Spass gemacht.

War es trotzdem eine Ihrer Aufgaben, an den vier Hauptfiguren zu arbeiten? Ich hatte den Eindruck, sie waren ein bisschen verloren in diesem dritten Film mit all den verschiedenen Locations in Europa und all den neuen Figuren.

Ja, das war eine Herausforderung, die existierenden Beziehungen am Leben zu erhalten. Ich habe aber an allen Aspekten gearbeitet, an einigen mehr, an anderen weniger.

Und was ist aus dem Animationsfilmprojekt über eine Gruppe von Hunden geworden, das Sie und Greta Gerwig für Dreamworks in Planung hatten? Dreamworks hat ja vor einiger Zeit bekanntgegeben, dass sie nur noch zwei statt drei Animationsfilme im Jahr herausbringen wollen. Ist Ihr Film davon betroffen?

Sie hatten sich schon vorher entschlossen, ihn nicht zu machen. Vielleicht wird das Projekt noch einmal neu belebt, aber Dreamworks hatte verschiedene Gründe, es nicht weiter zu verfolgen. Aber ich mag die Leute dort und würde gerne wieder mit ihnen arbeiten.

Das Drehbuch war schon fertig?

Ja.

Ist es jetzt im Turnaround?

Nein, sie haben immer noch die Rechte.

Sie haben für das Fernsehen, für HBO, eine Adaption von Jonathan Franzens Roman «The Corrections» geschrieben, die nicht produziert wurde. Gibt es eine Chance, dass sie eines Tages doch noch realisiert wird?

Das hat mir sehr viel Vergnügen bereitet, gerade die Zusammenarbeit mit Jonathan Franzen, aber am Ende war es wohl doch zu teuer, um es für diese Art von Sendeplatz zu produzieren – zu ambitioniert für das viele Geld.

Sie haben den kompletten Roman adaptiert?

Der Plan war, das über einen Zeitraum von vier Jahren zu machen. Das war in der Tat ungewöhnlich. Vielleicht hätten wir uns mit einem Teil bescheiden sollen. Selbst sich auf die Gegenwart des Buchs zu beschränken, die sich im Jahr 1999 zuträgt, wäre mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden gewesen.

Werden solche Projekte dann nicht ins Turnaround gestellt, wie es bei Kinofilmen üblich ist?

Das haben sie gemacht, aber Jonathan und ich stimmten darin überein, dass es vielleicht doch nicht der richtige Ansatz war.

Das Gespräch fand im Juni 2015 beim Filmfest München statt und wurde ergänzt um einige Passagen aus einem Gespräch bei der Berlinale 2013.

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