«Kenne deine Mittel», heisst es gleich im ersten Eintrag in den «Notizen zum Kinematographen» des Regisseurs Robert Bresson. Die eigenen Mittel zu kennen, bedeutet dabei nicht zuletzt auch, um deren Beschränkungen zu wissen. Bei Filmen sind die Budgets nie unbegrenzt. Die Schauspieler_innen, die man sich gewünscht hat, sind anderweitig verpflichtet oder werden krank. Die Technik tut nicht, was sie soll. Das Wetter spielt nicht mit. Filmschaffende müssen zwangsläufig immer Expertinnen und Spezialisten im Improvisieren sein.
Orson Welles zum Beispiel, der bereits in seinem ersten Spielfilm, Citizen Kane, mehr Freiheiten und Möglichkeiten hatte, als sie die meisten Hollywoodregisseure während ihrer ganzen Karriere je erlangten, musste nach diesem aussergewöhnlich luxuriösen Einstieg ins Filmgeschäft unter immer prekäreren Umständen arbeiten. Dass seine Filme deswegen aber nicht weniger spannend geworden sind, lässt sich aktuell auf Netflix überprüfen, wo sein letztes, unvollendet gebliebenes Werk zu sehen ist, The Other Side of the Wind – ein experimenteller Mockumentary, der denn auch prompt genau das zum Thema macht, woran er am Ende gescheitert ist: die Unwägbarkeiten beim Entstehen eines Films. Im Interview mit John Bleasdale spricht auch der Filmkritiker Mark Cousins, der jüngst einen Dokumentarfilm über Welles gemacht hat, über dieses Talent von Welles, aus den wenigen Möglichkeiten ein Maximum an Expression herauszuholen.
Ein zeitgenössischer Meister in der Kenntnis seiner Mittel und deren Beschränkungen ist der Kameramann Michael Hammon, dessen Bilder unter anderem demnächst in Stefan Haupts Zwingli zu bewundern sein werden. Doch egal, wie gelungen am Ende das Resultat auf der Leinwand aussieht, die Dreharbeiten selbst, so Hammon, seien für ihn immer eine riesige Baustelle, die nicht zu bewältigen scheine. Im grossen Werkstattgespräch erzählt er davon, wie man sich auf diesen Baustellen des Films trotzdem nicht den Hals bricht und wie ihn die Arbeit als Dokumentarfilmer darin geschult hat, mit unberechenbaren Situationen umzugehen. So ist Hammon bestens trainiert, um in Spielfilmen wie etwa jenen von Andreas Dresen auch mal spontan mit seiner Kamera auf der Jagd nach der besten Einstellung über einen Schreibtisch zu hechten.
Die Beschränkung der Mittel kurzerhand zum Prinzip erhoben haben die sogenannten B-Movies, denen sich Lukas Foerster in seinem Essay widmet. Im Hollywood der Dreissiger- und Vierzigerjahre entstanden, als billigere Hälfte einer Doppelvorstellung an der Seite eines prestigeträchtigeren A-Films, ist hier produktionstechnisch alles eine Nummer kleiner, von der Besetzung über die technische Ausstattung und die Produktionsdauer bis zur Lauflänge. Aber gerade weil die B-Movies sozusagen als billiges Nebenprodukt im Schatten der Blockbuster entstanden sind, konnten sich die hier beteiligten Filmschaffenden Experimente erlauben und Ideen ausprobieren, die in den besser dotierten Filmen unmöglich gewesen wären.
Dass also die beschränkten Mittel nicht nur Fluch sein müssen, sondern dass die Beschränkung auch zu originellen Lösungen zwingt, das ist tröstlich, auch für uns und unsere Filmzeitschrift. Auch wir hätten oft gerne noch mehr Zeit und noch mehr Platz, um all das besprechen zu können, was uns an der zeitgenössischen und auch an der alten Film- und Kinokultur fasziniert. Der beschränkte Platz und die begrenzten Mittel zwingen dagegen zu einer Fokussierung, die gerade in Zeiten des massenmedialen Überangebots immer noch wichtiger wird.
Leser und Leserinnen hingegen können auch wir nie genug haben. Zumindest hier ist die Beschränkung niemals produktiv, sondern einfach nur schade. Darum wünschen wir uns auch fürs neue Jahr vor allem das: unbegrenzt viel Publikum – fürs Kino und für Filmbulletin.
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