Als Donald Trump im Dezember 2016 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde, ging ein ziemlich unspektakuläres Kinojahr zu Ende. Die erfolgreichsten Filme in den USA waren die Fortsetzung einer jahrzehntealten Weltraumsaga, in der eine Gruppe von Rebellen unter Aufopferung ihres Lebens die geheimen Pläne eines Todessterns stiehlt (Rogue One). An zweiter Stelle landete ein Animationsfilm über einen vergesslichen Fisch, der mithilfe seiner Freunde versucht, seine Familie wiederzufinden (Finding Dory). Auf den dritten und weltweit ersten Platz kam ein Superheldenfilm. Aus Captain America: Civil War machte der deutschsprachige Verleih vorsorglich The First Avenger: Civil War, denn der amerikanische Supersoldat mit Rundschild ist diesseits des Atlantiks nicht ganz so beliebt wie in seiner Heimat.

In Captain America zerbröselt eine bislang für den Weltfrieden sorgende Eliteeinheit aufgrund interner Streitigkeiten. Während der eine Teil der Truppe die internationale Kontrolle durch die Vereinten Nationen akzeptiert, sieht Captain America als Anführer der Anderen seinen eigenen Handlungsspielraum dadurch gefährdet. Es geht also um das Verhältnis von Macht und Kontrolle, mithin um jenes demokratische Prinzip, dem sich der Superpatriot nicht beugen möchte. In seinem Wahlkampf verwendete Trump regelmässig den Slogan «America First», und er stellte auch in seiner Amtsantrittsrede seine Präsidentschaft unter dieses Motto. Nach dem Pariser Klimaabkommen und dem Atomabkommen mit dem Iran kündigte Trump zuletzt jenes zwischen den NATO-Staaten und ehemaligen Mitgliedern des Warschauer Pakts zur gegenseitigen militärischen Luftüberwachung.

Nun ist es eine beliebte Methode der Fachkritik, ausgewählte Filme einer bestimmten Zeit mit der jeweiligen US-Politik kurzzuschliessen. Die Pre-Code-Filme der frühen Dreissigerjahre dienen dafür als gutes Beispiel, wenn es um die künstlerische Freiheit Holly-
woods vor der Selbstzensur geht; das Kino des New Hollywood der späten Sechzigerjahre scheint für eine solche Untersuchung wie gemacht, weil es den politischen Umbruch mittels ungeahnter künstlerischer Freiheit antizipierte; aber auch im US-Kino der liberalen Clinton-Ära lässt sich die symbiotische Beziehung von Politik und Populärkultur deutlich feststellen, als man zumindest auf der Leinwand mit dem Präsidenten plötzlich alles machen konnte, was man wollte: Sexunhold (Absolute Power), Doppelgänger (Dave), Hanswurst (Wag the Dog) oder wackerer Kämpfer (Air Force One) – die Beliebigkeit der Zuschreibungen im boomenden Subgenre des Präsidentenfilms war dessen herausragendes Merkmal. Die Frage lautet jeweils: Wie sensibel reagiert das Kino – und zwar nicht nur in hellhörigen und weitsichtigen Independentfilmen – als populärkulturelles Massenmedium auf politische Strömungen? Die Ära Trumps vor Augen, muss sie aber auch lauten: Erlaubt die Tentpole-Strategie Hollywoods, also die Rechnung, dass Blockbuster Flops wettmachen, überhaupt die Möglichkeit, auf jene politischen und sozialen Erschütterungen einzugehen, die Trumps erste Präsidentschaft prägen?
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