In seinem Roman «The Swimming-Pool Library» (1988) folgt Alan Hollinghurst dem jungen Will durch das London des Jahres 1983 und beschreibt dabei mit detailverliebt-ornamentalem Stil, wie sein in den Tag hineinlebender Protagonist die Stadt als einziges Jagdrevier für sexuelle Abenteuer wahrnimmt. Ob in der U-Bahn, auf einer öffentlichen Toilette, während seiner täglichen Besuche im Fitnessclub Cory oder bei einem Ausflug in ein schwules Pornokino: Stets ist Wills Alltag von den endlosen Möglichkeiten bestimmt, mit anderen Männern zu schlafen.

Bijou (1972) Regie: Wakefield Pool
Neben vielem anderen ist Hollinghursts Buch eine Huldigung an die schwule Kultur des Cruisings. Schon seit Jahrhunderten eignen sich homosexuelle Männer öffentliche Orte an, um möglichst schnell und unkompliziert Sex zu haben. Entwickelt hat sich diese Tradition aus einem Mangel an offiziellen und legalen Treffpunkten. So gab es ab dem 18. Jahrhundert in London zwar sogenannte Molly Houses, die sich mit schwulen Bars vergleichen lassen, aber Orte wie der St. James Park, an dem sich etwa Soldaten Erleichterung verschafften, ermöglichten zielgerichtetere Begegnungen, bei denen man noch nicht einmal reden musste.

L.A. Plays Itself (1972)
Todd Verrow hat diesen Ritualen mit seinem filmischen Essay The End of Cruising (2013) ein Denkmal gesetzt. Während verwackelte Videoaufnahmen von Cruising-Areas zu sehen sind, die teilweise schon ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben, berichten Männer von ihren Erfahrungen. Ausgangspunkt dieser Collage an Erinnerungen ist die Feststellung, dass diese Orte zwar mitunter noch existieren, aufgrund der Popularität deutlich bequemerer Dating-Apps wie Grindr jedoch zunehmend verschwinden.
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