«Demnächst im Kino»: Das ist das bekannte Versprechen, das uns jeweils am Ende des Trailers gegeben wird und uns freudig auf die künftigen Neuerscheinungen warten lässt. Die Bedeutung der Worte (oder vielleicht die Bedeutung der Zeit an sich) hat sich seit einem Jahr verschoben. In drei Schritten kamen die Ankündigungen neuer Filme früher zu uns, fast wie ein Tanz: «Demnächst im Kino», dann «Im Kino am … » und schliesslich «Jetzt im Kino». Und mit jedem Schritt wuchs die Vorfreude.
Erster Schritt: «Demnächst», das war das Erwachen der Neugier, die Vorfreude, die ich nun so sehr vermisse, wie ich es vermisse, bald wieder ins Kino gehen zu können. Zweiter Schritt: Das Datum wurde festgelegt, im Kalender markiert. Dritter Schritt: «Jetzt im Kino», das war fast wie eine Liebeserklärung des Films – «Komm, ich warte auf dich, ich bin für dich da.»
ADN, der neue Film der französischen Regisseurin Maïwenn (Polisse, Mon Roi) und Teil der offiziellen Auswahl für die 2020er Ausgabe von Cannes, war im vergangenen Sommer einer jener Coming-soon-Filme, die umso sehnlicher erwartet wurden, als die Absage des Festivals sie um ihre Premiere auf dem roten Teppich gebracht hatte. Er hat es stattdessen an anderer Stelle, in Deauville, im September auf die Leinwand geschafft. Das war eine Zeit der Hoffnung. Auf den Plakaten und Trailern stand da: «Ab dem
28. Oktober im Kino».
Ich dachte: Demnächst gehe ich mir den Film anschauen. Der 28. Oktober kam, doch das Gerücht einer zweiten Schliessung kursierte bereits, wie sich Romain Poujol von Le Pacte, dem Verleiher von ADN, erinnert. Aber es war zu spät, um die Kinotrailer wieder zurückzuziehen, und ganz Frankreich war schon mit Plakaten behangen. Man konnte nur hilflos zuschauen. ADN war «Jetzt im Kino». Doch das dauerte nur zwei Tage – nicht einmal genügend Zeit, um mir ein Ticket zu kaufen. Ab dem 30. Oktober wurden die Kinos wieder geschlossen. ADN hatte immerhin 33 960 Tickets verkauft. Dafür, dass die Filme nach 20 Uhr nicht mehr gezeigt werden durften, waren die Zahlen also sehr gut: Sie zeigten, dass Masken, Einschränkungen und Ängste nicht ausreichen, um den Hunger nach dem Kino auszulöschen.
Der Walzer wurde unterbrochen, ADN machte einen Schritt zurück und verschob das Datum: Am 15. Dezember sollte er nochmals starten, an dem Datum, für das Lockerungen angekündigt waren. Doch auch am 15. Dezember bleiben die Kinos hier in Paris geschlossen. ADN machte einen zweiten Schritt rückwärts: zurück zum Anfang. Die Termine müssen neu gesetzt, die Plakate nochmals aufgehängt werden; ein Budget, vergebens ausgegeben. Es steht wieder «demnächst». Es ist kein Versprechen mehr (denn wer würde es wagen, ein Rendezvous im Kino zu versprechen?).
Für alle, die vom Aufschieben ständig hören oder lesen, auf den Filmposters von ADN etwa und jenen anderer filmischer Totgeburten (Garçon Chiffon kam am selben Tag heraus, auch Petit Vampire; Adieu les cons und Miss hatten eine Woche zuvor gerade noch Zeit für einen sehr guten Kinostart gehabt), ist «demnächst» nicht mehr eine Verpflichtung, sondern eine Beschwörung. Die Rückkehr ins Kino wird zur Glaubenssache. «Man muss dem Film vertrauen», meint auch Romain Poujol auf meine Frage hin, ob er sich darüber Sorgen mache. «Wir glauben sehr fest an den Erfolg von ADN, auch wenn wir nie gedacht hätten, so hart an ihm arbeiten zu müssen – es ist trotzdem eine Freude.»
Inmitten der kulturellen Flaute wärmt mich die Idee der «Freude». Wir ertrinken gerade in Zahlen, in ungewissen Terminen, in Gerede von investiertem und verlorenem Geld und leeren Kinokassen, aber noch nie war es so wichtig, über diese Zahlen hinaus ans Kino zu glauben: an die, die es machen, an die, die auf uns warten.
Noémie Luciani ist Redakteurin der Filmzeitschrift «La Septième Obsession». Zuvor schrieb sie für «Le Monde», 2016 war sie Jurymitglied der Filmfestspiele von Cannes.
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