Während rund 40 Jahren bestimmte in der Volksrepublik China allein die regierende kommunistische Partei, was gefilmt und vorgeführt werden durfte – und natürlich auch von wem. Die Geburtsstunde des unabhängigen chinesischen Films fiel dennoch nicht zufällig im (nicht nur für China) schicksalshaften Jahr 1989. Damals schloss die sogenannte sechste Generation die Pekinger Filmhochschule ab und fand sich zunächst ohne Arbeit. Entweder man war noch keinem der staatlichen Studios zugeteilt oder durfte nicht die Filme machen, die man wollte. Und das war der springende Punkt. Das bisherige Prozedere – die Schulabgänger*innen werden einem der staatlichen Filmstudios zugeteilt, wo sie ihre Sporen abzuverdienen und sich zu bewähren hatten – passte nicht länger zum Zeitgeist, auch wenn eine deutliche Manifestation desselben am Tian’anmenplatz gerade erst auf heftigste unterdrückt wurde. Sich selbst und die eigenen Bedürfnisse auszudrücken war angesagt. Ausserdem wollten die jungen Berufsleute nicht warten, sondern etwas tun.

Zensursystem
Den frisch erwachten Wünschen nach persönlichen Ausdrucksformen kam die digitale Videotechnik sehr entgegen. Waren die ersten Independentfilme noch mit erbetteltem oder sonstwie erschlichenem Filmmaterial gedreht (Filmhersteller waren staatliche Betriebe und die Verteilung des Materials war kontrolliert), eröffneten die günstigen und handlichen DV-Kameras und Editingsysteme auf dem Heim-PC ganz neue Möglichkeiten. Die Crews konnten klein gehalten werden. Sogar reine Ein-Personen-Projekte waren plötzlich kein Problem mehr. Auch störten niedrig aufgelöste und wacklige Bilder, statt sorgfältig arrangierte und ausgeleuchtete Komposition, kaum. Denn gefragt war jetzt Authentizität. Was fehlte, und das gilt bis heute, war der Zugang zum heimischen Publikum. Der unabhängige chinesische Film war und bleibt in China weitgehend unsichtbar. Und das hat mit dem staatlichen Zensursystem zu tun.

Ohne eine von der China Film Administration vergebene Auswertungslizenz, umgangssprachlich Drachenstempel genannt, kann kein Film in China veröffentlicht werden – keine Kinovorstellungen, kein Fernsehen, keine DVD, kein Online-Streaming, sprich, kein Publikum und somit keine Einnahmen. Wird ein bereits fertiggestellter Film abgelehnt, darf er nicht gezeigt werden. Oder er kann nach der Umsetzung der verlangten Änderungen wieder neu eingereicht werden. Dieses Prozedere kann sich theoretisch unendlich oft wiederholen. Deshalb legen Produzent*innen ihre Projekte auch schon im Drehbuchstadium vor, um das Risiko hoher Ausgaben für möglicherweise nicht genehme Stoffe zu mindern. Denn das Besondere an diesem Verfahren ist, dass der Kriterienkatalog einerseits Dinge verbietet, wie die Partei oder die Staatsideologie in Frage zu stellen, andererseits etwas schwammig gehalten ist und sich einer Art weitgehender Harmonie verpflichtet sieht. So ist man teilweise der Willkür der Prüfer*innen und der aktuellen Stimmung in der Regierung ausgeliefert. Folgerichtig arbeitet jeder Produzent, jede Autorin und jeder Regisseur ex ante mit einer Schere im Kopf.

Den vollständigen Artikel gibt es in der Nr. 2/21 nachzulesen.
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