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Wenn der Richtige kommt

Der Weg ist das Ziel, könnte man sagen, angesichts der Spontaneität, mit der die Filmemacher Oliver Paulus und Stefan Hillebrand ihr nur grob skizziertes Sujet dem Unerwarteten öffnen. Ihr Improvisationsfilm wenn der richtige kommt zeigt einen Prozess mit ungewissem Ausgang.

Text: Wolfgang Nierlin / 01. Sep. 2004

Der Weg ist das Ziel, könnte man sagen, angesichts der Spontaneität, mit der die Filmemacher Oliver Paulus und Stefan Hillebrand ihr nur grob skizziertes Sujet dem Unerwarteten öffnen. Ihr Improvisationsfilm wenn der richtige kommt zeigt einen Prozess mit ungewissem Ausgang. Wie in den Filmen der dänischen «Dogmatiker» setzt ein vorgegebenes Regelwerk das Spiel in Gang, dem sich Regie und Kameraarbeit unterordnen. Die Möglichkeiten ergeben sich quasi aus der Beschränkung, die hier als Freiheit der Interaktion zu verstehen ist, deren Resultate keiner Kontrolle unterliegen. Trotzdem weist der Film einen starken Formwillen auf, der durch die inhaltliche Gliederung des Materials dann doch zu einer Geschichte findet und durch eine Reihe wohlüberlegter Bildkompositionen die Erzählung mit einem metaphorischen Subtext unterlegt.

Das zeigt schon die erste Einstellung: eine Totale auf die Mannheimer Skyline im Abendlicht, in der Freiheit und Abenteuer nahe beieinander liegen; und die Probleme unten bleiben, wie es am Ende des Films an anderem Ort und unter anderen Vorzeichen heisst. «Jeder Mensch erlebt mal ein Abenteuer in seinem Leben», sagt Paula Hartnagel im Prolog und liefert damit einen Hinweis auf den Weg, den der Film nehmen könnte. Denn natürlich handelt es sich aufgrund des filmischen Konzepts um ein doppeltes Abenteuer, dem sich sowohl die Protagonistin als auch die Regie überantworten. Der Zufall als dramaturgische Grösse setzt aber noch andere Referenzen frei und sorgt so für einen ziemlich bunten Genre-Mix aus sozialromantischer Komödie, Liebesmärchen und Roadmovie.

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Bevor sich Träume über Umwege schliesslich anders erfüllen als erwartet, muss der Wille erst einmal Berge versetzen. Und die dreissigjährige Putzfrau Paula, die im Mannheimer Collini-Center arbeitet und in einem ziemlich tristen Hafenambiente einer Dachstubenexistenz fristet, muss sich deshalb zunächst verlieben. Der türkische Wachmann Mustafa Özakbiyik ist der Erwählte. Denn, so ist Paula überzeugt: «Wenn der Richtige kommt, dann spürst du das, das spürst du mit allem.» Bestätigung und Unterstützung dafür findet ihr naiver Eigensinn bei der resoluten, stets couragiert auftretenden Arbeitslosen Ada von Dewitz. Rückschläge hingegen erleidet sie in der italienischen Kneipe «Big Bandito», wo Mustafa unter Freunden seine Abende verbringt. Und plötzlich ist der gutmütige Kerl auch noch spurlos verschwunden: Von seinem strengen Vater zur Verheiratung in die Türkei verschickt, wo der Städter in einer bäuerlichen Grossfamilie lebt. Sofort begibt sich Paula auf eine ziemlich unmögliche Suche nach Mustafa in der türkischen Metropole Adana.

«Paulas Wunder» ist dieses dritte und letzte Kapitel überschrieben. Weil Wenn der Richtige kommt keiner dramaturgischen Logik folgt, sondern der inneren seiner Heldin, ist das Wahrscheinliche im Film von Hillebrand und Paulus selbstverständlich relativ. In dieser Vagheit liegt zugleich sein komödiantisches Potential, das in den improvisierten Dialogen immer wieder aufblitzt, manchmal aber auch ins Leere läuft. Und so erliegt der Film mitunter der selbstgewählten Unverbindlichkeit, in der alle soziale Realität, die gleichwohl forciert ins Bild gesetzt ist, zur blossen Kulisse erstarrt.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 6/2004 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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