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The bucket list 04

The Bucket List

Text: Erwin Schaar / 16. Jan. 2008

«To kick the bucket» hat umgangssprachlich die Bedeutung von «sterben». Um die Bucket List dürfte es sich also um etwas handeln, was damit zu tun hat. Aber der Reihe nach: Amerikanische Filme, die sich dem grossen Publikum verpflichtet fühlen, erzählen ihre Geschichten emotional, und dabei können humorige Bestandteile diese Gefühle selbstverständlich unterstützen und sind nicht widersprüchlich. So kann eine Besetzung der beiden wichtigen Rollen mit Jack Nicholson und Morgan Freeman die Sicherheit bieten, dass ein Film über das Sterben das Leben bis dahin als unterhaltendes Spektakel zeigt, nach dem Shakespeareschen Motto «All the world’s a stage, / And all the men and women merely players»: keine Larmoyanz, keine sozialkritischen Bemühungen, keine moralischen Verurteilungen.

Der schwarze Automechaniker Carter Chambers landet als erster wegen seiner Krebserkrankung im Hospital, das der strikten Ideologie folgt, alle Patienten nur in Zwei-Bett-Zimmern unterzubringen. Und als der Vorhang, der beide Betten trennt, zur Seite gezogen wird, muss der andere Patient erkennen, dass auch für ihn keine Ausnahme gemacht wird, obwohl er, der weisse Edward Cole, doch milliardenschwerer Besitzer dieser Klinik ist. Er wurde direkt von einer Vorstandssitzung eingeliefert, auf der er noch die Konzeption seines Hospitals als Erfolgsrezept vorstellte. Jetzt kann der ebenfalls an Krebs Erkrankte diesem Prinzip nicht zuwiderhandeln. Also ist er gezwungen, sich mit Chambers zu unterhalten, der ihm aber an Bildung überlegen ist, wollte er doch mal studieren

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Die Nähe der beiden intensiviert sich auch im emotionalen Bereich, als sie erfahren müssen, dass ihr Leben nur mehr höchstens ein Jahr währen wird. Chambers kritzelt etwas auf einen Zettel, wirft ihn aber dann weg, und Cole beschafft ihn sich heimlich. Es ist eine Liste von Dingen, die Chambers immer schon tun wollte und nun noch vor seinem Tod erledigen möchte: die Bucket List.

Der scheinbar alleinstehende Cole schlägt vor, eine gemeinsame Weltreise in seinem Jet auf die Liste zu setzen, um nach ihrer Operation die schönsten Punkte der Erde anzusteuern und so die Liste abzuarbeiten. Carters Frau, zuerst dagegen, gibt ihren Widerstand auf, und wir sehen die beiden an den ansehnlichsten Reisezielen der Erde die letzte Lebenszeit geniessen. Carter und Cole werden friedlich sterben.

Jedes Handlungsdetail wird durch die fast erschreckende Präsenz der beiden Hollywood-Legenden Nicholson und Freeman zu einer Apotheose des Lebens, das die Aussicht auf den Tod wie ein Erlebnis integriert. Man glaubt mit den eigenen Gefühlen in dieser Inszenierung geborgen zu sein, allen Widerwärtigkeiten trotzen zu können. Selbst tragische Momente entbehren nicht der unterschwelligen Aufforderung zum Wohlgefallen. Der Film ist säkularisierte Religion, weil er erlösende Momente für jegliche Lebenssituation zu inszenieren versteht. Das Multitalent Rob Reiner (unter anderen When Harry Met Sally, 1989; A Few Good Men, 1992; The Story of Us, 1999) besitzt die kompromisslose Begabung, menschliche Schicksale wie in Watte verpackt zu präsentieren. Nur wenn er die touristischen Stationen der Weltreise wie in einem Reisekatalog abarbeitet, hat man das Gefühl, dass ihm angesichts anderer Kulturen die hollywoodsche Verpackungsideologie abhanden kommt, beziehungsweise für Reiners ästhetische Sichtweise diese visuellen Eindrücke irritierend sind. Ansonsten ein Feel-good-Movie, wie auch der Netzkommentar eines amerikanischen Testbesuchers des Films beweist: «So get a bucket of popcorn and a bucket of soda pop and see this movie!»

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 1/2008 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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