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Exit 5

Exit Through the Gift Shop

Who is Banksy? Ja, nun ist der weltweit bekannte Graffiti-Künstler, der seine Identität vor der Öffentlichkeit verbirgt, auch ein Filmemacher. Er hat einen fiktionalen Dokumentarfilm geschaffen, eine Mockumentary über seine beeindruckenden Kunstwerke.

Text: Erwin Schaar / 10. Nov. 2010

Wenn Kulturkritiker die Enthüllungen, das Offenlegen der Privatheit in unserer Zeit monieren, dann mag es widersprüchlich sein, wenn auf der anderen Seite Geheimnisse installiert werden, die uns wieder in den Stand der nichtwissenden Unschuld versetzen sollen. Gewiss, es handelt sich nicht um eine Vielzahl solch öffentlich gemachter mysteriöser Verschwiegenheiten, weil eben eine Minderzahl die Neugierde und die Gerüchte wachsen lässt. Dazu zählt der englische Sprayer Banksy, dessen Schablonengraffiti nahe daran sind, allgemeines Bildungsgut zu werden Da hat es Harald Naegeli, der Sprayer von Zürich, vor mehr als dreissig Jahren weit schwerer gehabt.

Banksy bezieht die auf ihn gerichtete Aufmerksamkeit aus seiner visuellen Nicht-existenz. Es müsste sich schon eine der Öffentlichkeit bekannte Person dahinter verbergen, wenn die Preisgabe seiner Individualität interessant wäre. Die Enthüllung eines Unbekannten birgt wenig publizistischen Effekt. Banksy besprüht Mauern, stellt bemalte lebende Tiere aus, hängt in Museen unbemerkt seine Bilder zwischen sakrosankte Kunstwerke, ohne dass sie gleich entdeckt werden. Auf Auktionen werden seine Schöpfungen zu hohen Preisen gehandelt.

Und Banksy ist jetzt auch Filmemacher mit einer Dokumentation, die gar keine ist, weil Reales in einen fiktiven Zusammenhang gebracht wird. Und dafür hat die Szenensprache auch schon eine Wortschöpfung parat: Banksy drehte ein Mockumentary, das ist ein fiktionaler Dokumentarfilm, eine Parodie auf das Genre. Die Wortschöpfung setzt sich aus to mock (sich lustig machen) und documentary zusammen.

Da gibt es diesen Franzosen Thierry Guetta, der in Los Angeles billige Kleiderbündel aufkauft, um sie als Designer-Mode weiter zu verscherbeln. Dieser Guetta ist auch ein Videonarr mit einer wahren Dokumentationswut. Der vor der Kamera mit verdecktem Gesicht agierende Banksy stellt uns diesen obsessiven Videoten vor, der, nachdem er im Urlaub in Frankreich «Space Invader» mit seinen Spray-Aktionen kennengelernt hat, auf Videojagd nach den Grössen dieses Gewerbes geht, um schliesslich auf Aufforderung von Banksy einen Film aus den ungeordneten Kassetten seines Dokumentationswahns zu kompilieren. Aber das Produkt ist ein Desaster, und Banksy rät ihm, doch selbst Street-Artist zu werden, er werde dann einen Film über die Bemühungen des neu erweckten Künstlers drehen. Guerra ist begeistert, nennt sich nun Mr. Brainwash, gestaltet riesige Ausstellungen von nachahmender Kunst – Warhol ist ein ergiebiger Ideengeber –, die er wegen seiner Talentlosigkeit von Auftragskunstwerkern erstellen lässt, und verdient Millionen.

Exit 2

«As it turns out I think we might have made a film that does for street art what jaws did for water skiing» zweifelt Banksy, um dann doch zu einem positiven Urteil über seinen Geschenkartikelladen zu gelangen. Die ans Absurde grenzende Gestaltung des Films ist kompatibel mit den Acts der Sprayer und Street Artists, deren illegale Aktionen jederzeit durchkreuzt und kaum stringent exekutiert werden können.

Das in eine irreale Form gebrachte -Telefonhäuschen oder die Platzierung -einer einem Guantánamo-Häftling ähnlichen Puppe auf einer Erlebnisbahn in Disney Land – solche Aktionen unterstützen mit dadaistischem Hintersinn die fiktive Realität des Films, der zudem den Kunstmarkt als riesigen Hype einer Gesellschaft aufs Korn nimmt, die Events lebensgestaltend hinterherjagt. Da werden Banksys Stencils vom mit Luftballons die Israel und Palästina trennende Mauer überquerenden Mädchen oder vom blumenwerfenden Vermummten zu einfachen Botschaften, die mit Witz und Humor zu phrasenloser Menschlichkeit auffordern könnten.

Exit 3

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 7/2010 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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