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Guru - Bhagwan, his secretary and his bodyguard

Die willige Sekräterin Sheela und der eifrige Bodyguard Hugh streben beide die Nachfolge des Gurus der Bhagwanbewegung an – der machtbesessene Gründervater bringt seine Gefolgsleute so gegeneinander auf und beutet sie aus.

Text: Pierre Lachat / 26. Mai 2010

Diesmal werden besonders viele Kritiker hervortreten, die zu wissen glauben, alles sei ganz anders gewesen, als es Sabine Gisiger und Beat Häner rekapitulieren. Erzählen ist wohl das bessere Wort, denn die Autoren von Guru – Bhagwan, His Secretary & His Bodyguard müssen und wollen es sich versagen, die Chronik von Aufstieg und Fall des Shree Rajneesh, genannt Bhagwan, und seiner exotischen Glaubensgemeinschaft oder wohl eher Sekte lückenlos aufzurollen.

Mit der Beschränkung auf die drei Titelfiguren geht fast automatisch ein Mass an Fiktionalisierung einher. Wenn’s vielleicht nicht so gewesen ist, hiess es 1971 bei John Huston im Vorspann von The Life and Times of Judge Roy Bean, dann hätte es so sein sollen. Die älteren Dokumente zeigen den 1990 verstorbenen Guru als wissenden Darsteller seiner selbst. Ähnlich wirkt, auf den Aufnahmen aus jüngster Zeit, seine feinfühlige Sekretärin Sheela Birnstiel und ebenso der damalige Leibwächter, ein robuster Schotte namens Hugh Milne. Mittendrin das rauschebärtige Oberhaupt, zu seiner Rechten die getreue Magd und zur Linken der umtriebige Jünger: zusammen stellen sie eine perfekte Besetzung. Die Rollen sind auf eine Weise verteilt, die viel aussagt und noch mehr preisgibt. Genauer: sie fallen von allein an den rechten Platz.

Die Dreiecksgeschichte, die etliche Jahrzehnte zurückreicht und nach Indien und in die USA führt, will und darf als exemplarisches Geschehen gelten. Der Verlauf der Ereignisse weist weit über das Gesamte der Bhagwan-Bewegung hinaus und ebenso über die schicksalhaft verbundenen drei Figuren. Unerbittlich wahr, handelt das Drama auf der einen Seite von Untugenden schlechthin, als da sind: Macht, Wahn, Ehrgeiz, Intrige, Verleumdung, Betrug und Gewalt, das Ganze mit einem frühen Tod besiegelt.

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Rajneesh, der Heilige, zitiert an einer auffälligen Stelle aus «Mein Kampf». Wer die Macht ergreifen wolle, schreibt Adolf Hitler, der dürfe seine Konkurrenten keinesfalls zusammenführen, sondern müsse sie gegeneinander ausspielen. Der Film führt entsprechend vor Augen, wie Feindschaft und Gemeinschaft fugenlos ineinander übergleiten können. Denn so sehr wie ums Menschliche, allzu Menschliche dreht sich das Schauspiel, auf der andern Seite, auch um Werte und Tugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung; Freude, Edelmut und Hilfsbereitschaft; Bescheidenheit, Demut und die Gnade des Überlebens – oder dann auch des Sterbenkönnens, noch ehe alles in Scherben fällt.

So erstreckt sich die Mär von der frohen Botschaft und ihren verzückten Empfängern bis auf die Friedhöfe, vor die Gewehrläufe und hinter die Gefängnismauern. Waffen werden beschafft, wie man heimlich Wein trinkt, derweil Friede gepredigt wird, als wäre es Wasser. Von «stoop to conquer» reden die Angelsachsen mit einer glücklichen Wendung. Will jemand ein Eroberer werden, heisst das, dann hat er erst mal ungezählte Bücklinge als Vorleistung zu erbringen. Einzig ein förmliches Heranschleimen scheint manchmal zu den Abgöttern dieser Erde hinzuführen. Der Gründervater gibt sich als Sprachrohr höherer Mächte und redet den Geringsten nach dem Munde, ehe er dazu übergeht, seine Gefolgsleute auszubeuten und sie gegeneinander aufzubringen, um bald nur noch der eigenen Bedeutung und ihren höchst weltlichen Insignien nachzustreben. Pachtet jemand die Unfehlbarkeit, darf er getrost alles falsch machen, und es gilt später doch als vortrefflich, oder so wird es sich wenigstens darstellen lassen. Zitiert wird auch Carl Gustav Jung mit der Lehre vom Schatten, der dem Einzelnen innewohnt und ihn allerhand Unschönes verbrechen heisst. Den Seelenforscher bemüht Rajneesh offensichtlich in der Meinung, das eigene Verhalten damit rechtfertigen zu können.

Seine Stellvertreterin Sheela liest ihm die Wünsche von den Augen. Satz für Satz bekräftigt sie eine zunehmend konfuse Doktrin und dreht jedes unbedachte Ding, zu dem er sie anstiftet. Früher als die andern sieht sie den Tag vor den Türen, an dem es um die Nachfolge gehen wird. Sie schätzt ihre Chancen intakt ein, doch ist keine Gewähr für ein Gelingen gegeben. Unterdessen legt sich ihr Rivale, dem die Unversehrtheit des Bhagwan obliegt, nachdrücklich ins Zeug. Stets ist er mit Rat und Tat zur Hand. Vor allem aber durchschaut Hugh seine raffinierte Kontrahentin und gewärtigt bald einmal das Herannahen eines andern entscheidenden Augenblicks. Wenn es soweit ist, glaubt er, wird es geraten sein, ans Ufer zu schwimmen statt mit dem Dampfer unterzugehen.

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Das Nachspiel bringt Linderung und Läuterung. Bei ihr braucht es dafür ein paar Jahre im Knast, während ihn eine zähe Schwermut überkommt, samt der Versuchung, seinem Leben ein Ende zu setzen. Die Gespräche mit Birnstiel und Milne zeigen die Zwei nie im selben Bild. Zwischen ihnen scheint ein völliger Bruch eingetreten zu sein. Was sie vorbringen und wie sie es tun, ist wohl weniger eine Folge ihrer Besinnung und Erholung und mehr ein Ausdruck davon. Die Sachwalterin, Sheela, will alles Leid schon verwunden haben, oder sie hat es mindestens verwischt. Hingegen hadert Hugh, der Leibwächter, noch eine Weile, doch mehr mit sich selber als mit der Welt. Die Autoren urteilen nie und kommentieren wenig. Ihre Umsicht ist angebracht, denn die kristallene Klarheit und konsequente Logik der Erzählung ist gerade auch der trainierten Diktion und Eloquenz der beiden Zeugen ihrer eigenen einstigen Erfolge und Verfehlungen zu verdanken. Ohne je lächerlich oder verlogen zu wirken, nie schwärmerisch und nie jammervoll, belegen die Sekretärin und ihr Rivale ungewollt, dass Intelligenz nur bedingt vor ihrem Gegenteil schützt. Auch reicht der gute Wille selten aus. Und ein wahrer Glaube hätte die Berge wohlweislich unversetz

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 4/2010 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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