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Moon

Nach drei Jahren in einer Raumstation auf dem Mond, sehnt sich der Astronaut Sam Bell nach seinem Leben auf der Erde: Nach frischer Luft, unbegrenzten Räumen und seiner Familie. Doch die Reise zurück stellt sich als kompliziert heraus, besonders als aus dem Nichts Sam’s Klon auftaucht. – Ein ernsthafter Science-Fiction-Film.

Text: Frank Arnold / 28. Juli 2010

Ist dies Gentlemen Broncos, The Sequel?, könnte einem in den Sinn kommen, wenn man zu Beginn von Moon Sam Rockwell mit Vollbart sieht, hat man ihn doch erst vor kurzer Zeit in (einigen wenigen) deutschen Kinos als jenen überlebensgrossen Helden erlebt, wie er der Phantasie eines ebenso schreibbegeisterten wie nach Science-Fiction verrückten Siebzehnjährigen entsprang. Dem ist nicht so, denn bald fallen Bart und lange Haare einem Haarschnitt zum Opfer, und schon passt der von Rockwell gespielte Sam Bell viel besser in die glatten und sauberen Oberflächen in der Raumstation, die praktisch der einzige Schauplatz dieses Films ist. Mdoon ist in jeder Hinsicht das Gegenstück zu Gentlemen Broncos, der Liebeserklärung von Regisseur Jared Hess an die ebenso trivialen wie schwülstigen SF-Phantasien der Pulp-Literatur (deren Charakter in den kitschigen Covergestaltungen, wie sie dem Vorspann des Films unterlegt sind, auf den Punkt gebracht wird). Moon hingegen ist ein Kammerspiel, (ein einzelner Mann im Astronautenoutfit ziert das Filmplakat), ein Film, dessen Inszenierung geradezu klassisch verhalten ausgefallen ist und der Maxime <<weniger ist mehr>> huldigt, ein durch und durch ernsthafter Science-Fiction-Film.

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Dabei ist Moon durchaus ein Genrefilm, in dessen Geschichte sich zahlreiche Elemente finden, die dem Zuschauer vertraut sind, angefangen von der grossen Corporation, die ihre Monopolstellung in einem bestimmten Sektor durchaus für weitergehende Ambitionen ausnutzen könnte. Hier heisst sie «Lunar Energies» und kontrolliert die Energieversorgung der Menschheit. Dazu gehört der Abbau von Helium-3 auf dem Mond – eine Arbeit, die automatisiert ist und nur von einem einzelnen Mann überwacht wird: Sam Bell soll nach drei Jahren in Kürze abgelöst werden, endlich erlöst von der Einsamkeit auf der erdabgewandten Seite des Mondes, aus der alltäglichen Routine mit dem in der Mikrowelle zubereiteten Essen, mit dem Laufband, um sich fit zu halten. Dass ihn die geradezu aseptisch weisse Innenausstattung der Raumstation nicht längst in den Wahnsinn getrieben hat, überrascht. Die Sehnsucht nach seiner Familie, nach Frau und Tochter, treibt Sam um, immer wieder schaut er sich eine alte Videobotschaft an. Dann hat er Visionen von einer jungen Frau und eines Tages einen Unfall mit dem Fahrzeug. Als er wieder zu sich kommt, sieht er sich seinem Doppelgänger gegenüber, der behauptet, «I am Sam Bell, too». Ist das nur ein Fiebertraum? Oder hat er es mit einem Klon zu tun? Hat man ihn die ganze Zeit manipuliert? Und welche Rolle spielt Gerty dabei, der Bordcomputer, der drei Jahre lang sein einziger Ansprechpartner war? Sollte dieser weniger Helfer sein als Kontrollinstanz im Dienste der Corporation? hingegen ist ein Kammerspiel, (ein einzelner Mann im Astronautenoutfit ziert das Filmplakat), ein Film, dessen Inszenierung geradezu klassisch verhalten ausgefallen ist und der Maxime «weniger ist mehr» huldigt, ein durch und durch ernsthafter Science-Fiction-Film.

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Gerty, dem Kevin Spacey seine einschmeichelnde Stimme gibt, ist natürlich eine Variante von HAL aus Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey. Hier zeigt sich, wie Moon bewusst mit den Vorkenntnissen des Zuschauers arbeitet und eine Spannung aufbaut, was die Frage nach Gertys Loyalität anbelangt. Wie um die Unaufwendigkeit des für nur fünf Millionen Dollar in dreissig Drehtagen realisierten Debütfilms lakonisch zu akzentuieren, verfügt Gerty zusätzlich zu seiner Stimme über ein Display, das mittels hochgezogener oder herunterfallender Mundwinkel in Smiley-Manier anzeigt, wie die Stimmung an Bord ist.

Allein im All: das Thema von Kubricks 2001 – A Space Odyssey, Andrei Tarkowskis solaris, John Carpenters Dark Star oder Douglas Trumbulls Silent Running macht sich auch Moon zu eigen, seine Cinemascope-Kompositionen unterstreichen das vom ersten Augenblick an

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Wenn Moon von der Entfremdung erzählt, kann man das auch als ein Stück Autobiografie lesen, denn Regisseur Duncan Jones ist der Sohn von Rock-Legende David Bowie. Der besang schon 1969 in seinem Hit «Space Odyssey» die kosmische Kommunikation («ground control to Major Tom …») und stellte die Frage «Is there life on Mars?», bevor er Jahre später als androgynes Alien auf dem Innencover von «Aladdin Sane» posierte und sich dann eine weitere Identität als -«Ziggy Stardust» zulegte. Nicht zu vergessen seine Hauptrolle als Ausserirdischer in Nicolas -Roegs The Man Who Fell to Earth von 1976. Duncan Jones (geboren 1971) hätte leicht ein tragisch scheiterndes Prominentenkind werden können – als Kind ist er unter dem Namen Zowie Bowie auf Fotos mit seinen Eltern zu sehen, die sich, als er vier war, trennten, er ist dann weitgehend von einem Kindermädchen aufgezogen worden, kam später in ein strenges Internat und machte einen Abschluss in Philosophie. Mit seinem Regiedebüt hat er sich aber freigeschwommen, nachdem er 2002 schon mit seinem Kurzfilm Whistle Originalität wie Professionalität unter Beweis stellte. Das Sensationsheischende, das er früher selber herausgefordert hat – «Kung-fu les-bian advert sparks viewer protests», schrieb der «Daily Telegraph» über seinen ersten Werbespot, der zwei miteinander kämpfende und dann sich küssende Frauen zeigte – und das in diversen Home Stories der britischen Presse kulminierte, als moon dort im vergangenen Sommer Premiere hatte (Daily Mail: «His parents were both bisexual ego-maniacs so how DID Zowie Bowie turn out so normal?»), kann er jetzt hinter sich lassen, spätestens dann, wenn source code, sein zweiter Film, den er im Frühjahr in den USA abgedreht hat, in die Kinos kommt.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 5/2010 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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