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Fantastic Mr. Fox

Text: Oswald Iten / 12. Jan. 2011

Seit der Geburt seines Sohnes Ash hat Mr. Fox sein aufregendes Leben als Hühnerdieb gegen eine geregelte Existenz als Zeitungskolumnist eingetauscht. Eines morgens nun beschliesst er, sich vom traditionellen Fuchs-Dasein ganz zu emanzipieren und vom Bau unter der Erde in einen ausgebauten Baum zu ziehen. Sein Freund und Anwalt, der Dachs, rät ihm davon ab, da sich der ins Auge gefasste Baum in der Einflusssphäre dreier reicher Bauern befindet, deren Höfe mehr als nur eine Versuchung für den ehemaligen Hühnerdieb bereithalten.

Es bleibt offen, ob Mr. Fox den Baum schliesslich trotz oder eben wegen dieser Nähe zur Verlockung kauft. Auf jeden Fall zieht bald darauf Mrs. Fox’ grossgewachsener Neffe Kristofferson bei der Familie ein. Der mürrische Ash sieht sich von Anfang an in der Defensive, verkörpert der gleichaltrige Cousin doch alles, was Ash selbst gerne wäre.

Doch Mr. Fox, der seine Bewunderung für Kristofferson ziemlich offen zeigt, ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um die Nöte seines Sohnes zu bemerken. Lieber widmet er sich der Frage, ob ein Fuchs jemals glücklich sein kann ohne ein Huhn zwischen den Zähnen. Anders als im 1970 erschienenen Kinderbuch «Fantastic Mr. Fox» von Roald Dahl bestiehlt Mr. Fox die Bauern in Wes Andersons Verfilmung nämlich nicht um zu überleben, sondern der persönlichen Befriedigung wegen.

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George Clooney, der schon manch kultivierten Egoisten sympathisch erscheinen liess, spricht seine Sätze als Mr. Fox so, als wären sie nichts als Randbemerkungen. Unter der unkonventionellen Dialogregie Andersons – aufgenommen wurde ausserhalb des Studios – fügt sich Clooney jedoch nahtlos ins lakonisch agierende Ensemble von Stammschauspielern wie Jason Schwartzman als Ash und Bill Murray als Dachs ein. Das Team um Animation Director Mark Gustafson findet für das schauspielerische Understatement einen unzeitgemäss steifen Animationsstil, der bisweilen abrupt von stilisierten animalischen Bewegungen beim Fressen oder Graben aufgebrochen wird und so den inneren Konflikt zwischen animalischer Wildheit und Domestikation auf amüsante Weise zum Ausdruck bringt.

Neben der literarischen Gliederung in Kapitel und der Vorliebe des Regisseurs für Frontalansichten, die immer wieder dazu führen, dass Figuren vermeintlich direkt in die Kamera sprechen, wird die selbstreflexive Künstlichkeit dadurch verstärkt, dass Kraftausdrücke jeder Art konsequent durch das Wort «cuss», also «Schimpfwort, fluchen», ersetzt werden.

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Trotz solcher Distanzierungseffekte und ironischen Brechungen nimmt der Regisseur seine Figuren und ihre zutiefst menschlichen Probleme aber zu jeder Zeit ernst. Ashs aufgestaute Abneigung gegen seinen allseits beliebten Cousin beispielsweise entlädt sich zum ersten Mal, als Kristofferson seinen Schlafplatz in Ashs Kinderzimmer beziehen will und auf einen Platz unter dem Spieltisch verwiesen wird. Ein Schlagabtausch fragil-ironischer Bemerkungen gipfelt darin, dass Ash das Licht löscht und sich Kristofferson leise weinend unter den Tisch mit der Modelleisenbahn legt. Endlich steht Ash auf und setzt wortlos die Modelleisenbahn in Betrieb, so dass Kristofferson hervorkriecht und die beiden für einen Moment schweigend das leuchtende Spielzeug bestaunen.

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Wes Anderson inszeniert dies alles ohne emotionalisierende Nahaufnahmen in einer einzigen starren Einstellung. Unbehelligt vom Schnitt gleitet unser Blick scheinbar frei im farblich durchstrukturierten Tableau umher und wird doch subtil vom Spiel mit der Beleuchtung geführt. Inspiriert von Donald Chaffins flächigen Buchillustrationen konzentriert sich Anderson noch stärker als in seinen Realfilmen auf zentralperspektivische Bildkompositionen in warmen Herbstfarben. Am deutlichsten wird die daraus resultierende Setzkastenästhetik in Szenen, wo die Sets ähnlich einem aufgeklappten Puppenhaus im Querschnitt zu sehen sind. Wenn sich die Tiere auf der Flucht vor den Bauern immer tiefer in die Erde graben, entsteht gar der Eindruck von zweidimensionalen Gemälden. Dieser graphischen Künstlichkeit steht ein akribischer Realismus in Form der für Puppen und Sets verwendeten Materialien gegenüber – vom kontrovers diskutierten echten Fuchsfell bis zu Mr. Fox’ dandyhaften Anzügen, die denjenigen des Regisseurs in Stoff und Schnitt nachempfunden sind.

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Dieselbe Detailversessenheit zeigt sich auch auf der musikalischen Ebene, wobei es keine Rolle spielt, ob man als Zuschauer mitbekommt, dass ein halbblinder Maulwurf eine Art-Tatum-Aufnahme zum Besten gibt oder das Liebesthema aus Disneys Fuchsfilm Robin Hood zitiert wird. Alexandre Desplats transparent instrumentierter Score verbindet die verspielte Leichtigkeit von -Beach-Boys-Stücken wie «Heroes and Villains» mit den charakteristischen Banjoklängen der damaligen Folkbewegung zu einem humorvollen Bild der Zeit um 1970.

Auch wenn Anderson die einzelnen Szenen besser gelingen als der übergeordnete Spannungsbogen, strahlt Fantastic Mr. Fox auf den Zuschauer eine ähnlich undurchschaubare Faszination aus wie Mr. Fox auf die durch sein Verschulden obdachlos gewordenen Tiere, die er mit seiner Mischung aus Kultiviertheit und Wildheit immer wieder hinter sich zu scharen vermag. Die schwer fassbare Anziehungskraft von Andersons Filmen liegt ohnehin in jenen enigmatischen Momenten, in denen die Erzählung stillzustehen scheint, sei das beim wortlosen Betrachten einer Modelleisenbahn oder wenn ein unnahbarer Wolf und mit ihm der Winter ins Land des ewigen Herbstes herüberschauen.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 1/2011 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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