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True grit 08

True Grit

Text: Pierre Lachat / 02. Mär. 2011

«Ich bin John Wayne, und den wollen die Leute sehen», schwadronierte er oft. Auch damit hat er in den Rängen der ungewollten Lachnummern und begnadeten Narren seinen Platz gefunden. Vergleichbares ist Arnold Schwarzenegger untergekommen; als Gouverneur wurde er beschmunzelt, sowie er’s ernst zu meinen versuchte, und an gewollt komischen Rollen rieb er sich endgültig wund. Gegen die Russen sprang Sylvester Stallone mit Rambo III keinen andern als den Taliban bei. Nachträglich stand die Welt kopf. Wie reimt doch der Volksmund auf die allergrössten Kälber?

Solide Kerle waren sie samt und sonders, halbstark bis ins Alter: Ritter, Retter, Rächer; Rowdies, Rabauken und Rammböcke; Rampensäue der Leinwand, überzeichnete Comics-
Figuren, schrille Grossschnauzen und aufschneiderische Muskelprotze; Ausputzer und Aufräumer, die Berge von Unrat hinterliessen. Von der Faust lebte ihresgleichen und vom Schiesseisen und fand nichts dabei, auch einmal zum Scherz jemanden umzulegen. So schnell wie der Griff zum Ballermann ging die Berufung auf Notwehr von der Hand. «Asking for it» nennen es die Angelsachsen. Der hat’s ja gewollt, dass ich ihn abknalle; drum hab’ ich’s getan und tu’s wieder.

In The Green Berets versuchte John Wayne spät noch, einen Aggressionskrieg mit Millionen von Toten als patriotische Ruhmestat zu verzieren. Und damit versagte auch er als Politiker, ähnlich wie später der Ex-Ösi Schwarzenegger; denn bis zur Premiere von 1968 war die Sache der Amerikaner in Fernost schon unterm Boden. Ein mustergültiger spin oder Dreh versuchte, den Rückschlag in einen Triumph umzudeuten. Niemals hätte, sondern wie immer schon hatte Amerika gesiegt. Willig schluckten die üblichen Chauvinisten und Beipflichter den Schwindel: wohl wissend, was für eine Kröte es war. Niedergerungen waren indes nur die historischen Realitäten.

True grit 07

Mein ist das Geschäft mit der Rache

Zum Duke oder Herzog wurde er spöttisch geadelt, und doch waren John Wayne zwei Sternstunden vergönnt. In einem der besten Western überhaupt spielte er, unter der Regie von John Ford, einen respektabel tragischen Helden; wie irrtümlich gereift zeigte ihn The Searchers 1956 und belagert von befremdlichen aufgeklärten Zweifeln. Nur wenige Stufen darunter rangiert True Grit von Henry Hathaway; es ist der eine Film, der den geborenen Marion Michael Morrison 1969 als quasi bewusste Parodie seiner selbst hinstellt.

Rooster Cogburn heisst wörtlich Gockel Zahn, genauer Radzahnbrand; doch klingt der Name des Helden wie Rooster Cockburn und wird gemeinhin als Gockel Schwanzbrand vernommen. Schon zu Beginn ist der Ritter von der traurigen Gestalt in den eigenen alkoholisierten Gewohnheiten versackt. «He loves to pull a cork», heisst es einmal, ideal übersetzt: er ist ein Korkenzieher. Selten hat sich verlorene Würde so flink in ihr verzweifeltes Gegenteil verkehrt.

Prägt das Bibelwort «Mein ist die Rache» so viele Western, dann ist es in true grit als einträgliches Geben und Nehmen illustriert: «Mein ist das Geschäft mit der Rache». Widerfährt jemandem blutige Ungemach, garantiert ein professioneller Knallscheiter, gegen Vertrag, Vorschuss und Spesen, prompte Heimzahlung in gleicher Münze, das heisst mittels abgefeuerter Kugeln. Trägt Gockel Schwanzbrand über dem rechten Auge eine Binde, dann ist seine halbe Blindheit auch sinnbildlich zu deuten. Welches auch die Sache sei, er sieht nur die Seite, die ihm behagt.

True grit 04

Auf menschliches Mass

Die Justiz verzeichnet gut zwei Dutzend Leichen, die seinen Weg pflastern, und doch überlässt sie ihn der freien Wildbahn des Marktes. Es herrscht eine Komplizität, die sich der Film zu eigen macht. Unterstellt wird, seliger als einen einzigen Schurken laufen zu lassen sei es, alle mit ins Grab zu kippen, die dummerweise in die Schussbahn trampeln. Denn wer sich im Recht wähnt, fühlt sich zu allem eingeladen. Klassische Rachegeschichten spedierten den Missetäter ins Jenseits und den Rächer hinterher. Hamlet war ausserstande, den Widersinn der Todesstrafe zu begreifen. Wahrhaftig gerichtet wurde er, der Henker, und zwar gleich zugrunde. Auch in True Grit haben die Rächer und ihre Ausführenden zu gewärtigen, dass Rache sich rächt.

Vom ersten Entwurf an behaftete ein Mangel, der sich schlecht beheben liess, das Remake von §true grit. John Wayne ist einzigartig geblieben: und damit konnten sich Joel und Ethan Coen nur abfinden. Woher sollte Jeff Bridges für den Part des Rooster Cogburn just jene Qualität nehmen, die der Rolle erst ihr ganzes Gewicht verleiht? Gemeint ist der sagenhafte Werdegang eines Hollywood-Cowboys und damit die schauspielerische Vorbelastung, die den ursprünglichen Träger begleitete.

Ginge es mit rechten Dingen zu, gehörte er aus dem Sattel geschossen. Statt dessen stürzt er damals wie heute unter dem Beifall des Publikums besoffen vom Pferd. Er ist John Wayne oder war es jedenfalls, und den wollen die Leute fallen sehen! Um so inniger werden sie ihn verehren, wenn er auf menschliches Mass gestutzt ist. Doch wäre es unfair, sei’s Bridges, sei’s den Coens nachzusagen, sie hätten das Unmögliche weniger gut versehen als bestmöglich oder sich ihre Mission in einem andern Geist aufgeladen als mit true grit oder «Wahrem Mumm».

True grit 05

Auf Umwegen in die Historie

Der Hauptdarsteller hat begriffen, dass die Gestalt des Gockels von ausreichender Lächerlichkeit ist und keine stärkere Ironisierung mehr erträgt. Ihrerseits wissen die Auto
ren und Regisseure beide, dass sich die Legende vom Korkenzieher schwerlich anders ausbreiten lässt, als es Henry Hathaway vorgemacht hat. Der Schluss freilich ist melancholischer gehalten und zeichnet rückwirkend den fatalistischen Grundzug der Fabel noch einmal nach. Vergeltung erscheint dann vollends als

Ausdruck der Barbarei. Die Strafe komme auf die eine oder andere Art, verspricht das Plakat des Films. Genauer bedacht bedeutet der Satz auch: es trifft jeden, der da mit dabei war.

Die heutige Moral von der vorgestrigen Mär versetzt den Helden in jene Strafkolonie, die von den US-Pferdeopern der neueren Perio-de gern besucht wird. Ein Wildwest-Spektakel nimmt ihn als Pausenfüller mit auf Tingeltour. Jene Schauspieltruppen nahmen die frühen stummen Western vorweg. Gewiss, der Rooster Cogburn ist eine Erfindung, obwohl: seinesgleichen muss es gegeben haben. Und doch, am Ende seiner Epoche hat der Korkenzieher den Übergang zur Nachgeschichte gefunden. Und so ist er auf Umwegen in die Historie eingaloppiert: Hintern auf dem Sattel, Flasche in der Faust.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 2/2011 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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