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To Rome with Love

Italien, Rom, Trastevere – das sind besonders für den Mitteleuropäer Sehnsuchtsorte, die von anderer Kultur und Lebensart zeugen, verbunden mit Temperament, Kochkunst und der Freude am Genuss, vielleicht sogar von einem besseren Leben. Dass nun ein eingefleischter New Yorker, nämlich Woody Allen, der Faszination Roms erliegt, ist zunächst gar nicht so überraschend.

Text: Michael Ranze / 25. Juli 2012

Italien, Rom, Trastevere – das sind besonders für den Mitteleuropäer Sehnsuchtsorte, die von anderer Kultur und Lebensart zeugen, verbunden mit Temperament, Kochkunst und der Freude am Genuss, vielleicht sogar von einem besseren Leben. Dass nun ein eingefleischter New Yorker, nämlich Woody Allen, der Faszination Roms erliegt, ist zunächst gar nicht so überraschend. Nach London, Barcelona und Paris liegt Rom auf Allens filmischer Entdeckungsroute durch das alte Europa, und wer weiss, wohin sie ihn noch führen wird. Bislang hatte Allen immer die Mythen und Klischees, die man mit den Metropolen verbindet, gegen den Strich gebürstet oder liebevoll karikiert. To Rome With Love allerdings – das ist schon im Filmtitel eine bedingungslose Liebeserklärung, für die Allen keine Widerhaken mehr findet, sondern sonnendurchtränkte Postkartenbilder, «Volare» spielt dazu. Spanische Treppe und Kolosseum, Trevi-Brunnen und Petersdom – Allen gerät förmlich ins Schwärmen und blickt nicht mehr, wie bei den vorangegangenen Filmen, hinter die Fassade, um dort etwas ganz Anderes, Aufregenderes zu entdecken. Allen bestätigt die Klischees, die man von Rom im Kopf hat, anstatt sie zu hinterfragen, und das ist, als vorweggenommenes Fazit, eine Enttäuschung. Italienische Intellektuelle waren denn auch bei der Premiere im April entgeistert. Dario Fo zum Beispiel fand es kurios, dass Allen derart blauäugig auf eine Stadt schaut, die unter chaotischem Autoverkehr, Luftverschmutzung, zunehmender Kriminalität und sozialen Spannungen leidet.

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Doch was interessiert Allen der Autoverkehr? Gleich zu Beginn lässt er einen Verkehrspolizisten seine Arbeit unterbrechen (mit krachenden Folgen übrigens), um in die einzelnen Episoden und ihre Protagonisten einzuführen. Da ist zum Beispiel die amerikanische Touristin Hayley, die sich in einen Römer mit dem sprechenden Namen Michelangelo verliebt. Zur bevorstehenden Hochzeit reisen ihre Eltern an, der ehemalige Operregisseur Jerry (dargestellt von Allen selbst) und seine Frau Phyllis, Psychiaterin von Beruf. Michelangelos Vater ist ausgerechnet Bestattungsunternehmer. «Habt ihr gut hergefunden?» fragt er. «Ja, wir sind einfach dem Leichenwagen gefolgt», antwortet Jerry. Tod und Psychoanalyse – Allen bewegt sich hier auf seinem ureigensten Terrain und hat sich selbst die besten one-liner auf den Leib geschrieben, die noch einmal Erinnerungen an Annie Hall und Manhattan wecken. Doch dann kommt er auf die alberne Idee, besagten Bestattungsunternehmer Opernarien wie einst Caruso singen zu lassen. Allerdings nur unter der Dusche, und so gibt es bei den Operninszenierungen, die Jerry rasch – in einer bizarr-unglaublichen Volte – auf die Beine stellt, um seiner eigenen Karriere noch einmal Auftrieb zu verleihen, stets eine rauschende Dusche zu sehen.

Zwischendurch ist der Film immer mal wieder zu Jack gewechselt, Architekturstudent aus den USA und glücklich liiert mit der schönen Sally. Die allerdings erwartet eine kapriziöse Freundin, Monica, zu Besuch, und da ist kein Mann, der ihrem Charme und ihrer Ausstrahlung nicht schon erlegen wäre. Jack gelobt Widerstand, doch dann lernt er zufällig John kennen, einen mehr als doppelt so alten Star-Architekten, der vor dreissig Jahren als Student in Rom dasselbe erlebt hat und nun Jack eindringlich warnt. Wie ein Geist weicht er dem jungen Mann nicht mehr von der Seite, und in diesem Vergleich ist auch schon das Geheimnis ihrer Beziehung verborgen. Roberto Benigni spielt den Büroangestellten Leopoldo, der – ohne dass man wüsste warum – urplötzlich berühmt ist. Ein surrealistischer Moment ist in diesem unbegründeten, willkürlichen Ruhm verborgen, doch dann beschleicht den Zuschauer der Verdacht, dass für Allen Berühmtheit immer unbegründet ist. Paparazzi, Fans und Groupies – Leopoldo hat keine ruhige Minute mehr. Doch als der Ruhm auf einen Busfahrer übergeht, ist es ihm auch nicht recht. Und dann ist da noch das Paar aus Udine, das in Rom seine Flitterwochen verbringt. Doch plötzlich muss sie sich den Avancen eines berühmten Filmstars erwehren, während er an ein stadtbekanntes Callgirl, gespielt von Penélope Cruz, geraten ist. Nur schnell zurück nach Udine.

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Gerade in diesem Rückzug liegt das Problem von Allens Film. Seine Figuren machen keine Entwicklung durch, sie stehen am Ende dort, wo sie gestartet sind. Das Drehbuch hat sie in unvorhergesehene Situationen geworfen, sie Gefahren ausgesetzt, sie in Versuchung geführt oder mit Ruhm und Reichtum gelockt. Doch am Ende schlagen sie sich auf die sichere Seite – vielleicht mit einem kleinen Ausdruck des Bedauerns über das, was hätte sein können. So ganz ist nicht klar, was Allen dem Zuschauer sagen will und wie die vier Episoden zusammenhängen. Ist Ruhm per se etwas Schlechtes? Ist das Bedürfnis der italienischen Gesellschaft nach Tratsch und Klatsch so evident? Und ist die Liebe der einzige Fluchtpunkt? Falls ja, hat Allen bei seinem neuen Film die falschen Mittel gewählt. Der Humor kommt diesmal gröber und oberflächlicher daher, ihm fehlt die Lebensweisheit, die sonst Allens beste Komödien ausgezeichnet haben. Darüber hinaus ist er zahlreichen Klischees veräusserlichter Italianità erlegen: messerschwingende Hausfrauen, aufreizende Sekretärinnen, sexbesessene Männer. Ein Hauch von Vergnügungssucht liegt in der Luft, doch Allen lässt die Anspielungen auf das Italien Berlusconis (das noch nicht so lange zurück liegt) aus. Er hat sich sein eigenes Rom geschaffen, einen Tick zu schön, einen Tick zu oberflächlich, einen Tick zu unwirklich. Dieses Rom gibt es gar nicht.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 5/2012 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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