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The Company You Keep

Text: Michael Ranze / 31. Juli 2013

Robert Redford – Schauspieler, Regisseur, Produzent, Festivalmacher. So ist er nicht nur zu einer der grossen Ikonen Hollywoods avanciert, sondern auch zu einem der einflussreichsten Kreativen der US-Filmbranche überhaupt. Seine Regiearbeiten, von Ordinary People (1980) bis The Conspirator (2010), sind ihm immer auch Herzensangelegenheiten, in denen er nicht nur unterhalten, sondern auch Diskussionen anstossen will. Sein bislang politischster Film ist Lions for Lambs (2007), in dem Redford seinen Unmut über die US-Administration formuliert, Mechanismen der Politik offenlegt und die Verantwortung des Einzelnen für die Gesellschaft herausstellt. Nebenbei ging es auch um die Macht der Presse und – zentrales Thema in den Filmen Redfords – die Würde des Individuums. Mit The Company You Keep knüpft Redford an den Vorgänger an und spinnt seine Themen weiter. Er greift ein wenig erschlossenes Kapitel der jüngeren US-Geschichte auf und beschreibt die Folgen für die Gegenwart. Denn als mitteleuropäischer Zuschauer ist man zunächst einmal überrascht: Viel zu wenig hat man aus Hollywoodfilmen über Amerikas radikale Linke erfahren, allenfalls Sidney Lumets Running on Empty (1988), in dem sich ein Ehepaar mit zwei Kindern über fünfzehn Jahre lang vor dem FBI versteckte, kommt einem in den Sinn. The Company You Keep, der in seiner angenehm altmodischen Art seine Geschichte über konzis geschriebene Dialoge und genau umrissene Charaktere vorantreibt, diskutiert die Folge der Gewalt, die Kompromisse, die die «Weathermen» eingingen oder denen sie sich verweigerten, die Konsequenzen der Entscheidung, in den Untergrund zu gehen. «Wir sind nur eine Geschichte, die man Kindern erzählt», sagt jemand einmal. «Ich bin froh, dass sie immer noch jemand erzählt», antwortet Jim Grant, die von Redford gespielte Hauptfigur.

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The Company You Keep beginnt mit authentischen Newsreels über die radikalen Vietnamkriegsgegner, die «Weathermen», die in den frühen siebziger Jahren in verschiedenen Städten der USA Attentate verübten. In einem zweiten Bericht geht es um einen Banküberfall in Michigan derselben Gruppierung, bei dem ein Sicherheitsfachmann getötet wird. Dann springt der Film in die Gegenwart. Sharon Solarz, dargestellt von Susan Sarandon, stellt sich dem FBI und wird verhaftet. Sie war an besagtem Banküberfall beteiligt und hat seitdem über dreissig Jahre in Vermont unter falscher Identität gelebt. Jim Grant, ein auf Bürgerrecht spezialisierter Anwalt aus Albany, lehnt es allerdings ab, Solarz’ Verteidigung zu übernehmen. Das wiederum ruft Ben Shepard, einen jungen, ausgefuchsten Reporter der örtlichen Tageszeitung, auf den Plan. Shepard spricht mit Grant und kann eigentlich gar nicht sagen, wonach er genau sucht. «That’s why journalism is pretty much dead», erhält er zur Antwort, und man muss diesen Satz wegen seiner Deutlichkeit nicht weiter kommentieren. Nun lässt Shepard seine Kontakte zum FBI (in Gestalt von Diana, einem Collegeschwarm) spielen, er besteht auf Antworten und legt sich sogar mit Dianas Chef, dem obsessiven FBI-Agenten Cornelius, an. Und dann fällt es ihm bei einem Vergleich mehrerer Fotos wie Schuppen von den Augen: Jim Grant, der seit dem Tod seiner Frau die elfjährige Tochter Isabel allein grosszieht, ist Nick Sloan, einer der Bankräuber von Michigan.

Bis hierhin erzählt der neue Film von Robert Redford die Geschichte einer doppelten Recherche, einer journalistischen und einer bundespolizeilichen. Dabei beleuchtet Redford beide Berufsgruppen durchaus kritisch. So verkörpert Shia LaBeouf den intelligenten und engagierten Reporter zwiespältig als rücksichtslosen, überehrgeizigen Karrieristen, der die Folgen seines Tuns für andere skrupellos in Kauf nimmt und lästigen Konkurrenten zuvorkommen will. «I barely have furniture», sagt er einmal, weil er nur für den Beruf lebt. Shepard hängt sich an eine Geschichte und erlaubt es so, dass sie über ihn bestimmt. Seine Recherche, die auch von der aktuellen Medienkrise geprägt ist, wird so zur treibenden Kraft des Films, ohne vom eigentlichen Fokus abzulenken. Cornelius hingegen hinkt als leitender Ermittler, also als Beamter und Machtmensch, stets einen Schritt hinterher. Was er durch Raffinesse nicht herausbekommt, versucht er, durch die Einhaltung von Regeln und Drohungen wieder wettzumachen. Seine Unzufriedenheit, seine Frustration sind darum stets spürbar.

Und dann schleicht sich, von Drehbuchautor Lem Dobbs – er adaptierte Neil Gordons gleichnamigen Roman von 2003 und ist vor allem durch Steven Soderberghs The Limey und Haywire bekannt – intelligent verknüpft, langsam eine dritte Recherche in den Film, eine persönliche. Nick Sloan alias Jim Grant verfolgt, noch unersichtlich für den Zuschauer, eine eigene Agenda. Zunächst gibt er, in einem schönen, ausführlich ausgespielten Moment von hitchcockschem Suspense, der später durch eine unterlaufene Telefonüberwachung noch einmal aufgenommen wird, seine Tochter in die rechtlich abgesicherte Obhut seines Bruders, den Chris Cooper als zwar entfremdet, aber doch loyal interpretiert. Shepard interviewt derweil Sharon Solarz im Gefängnis, eine zentrale Szene, die Redfords vielleicht etwas zu romantische Sympathie für die «Weathermen» und ihre Ziele am besten umschreibt. Sie erklärt dem Nachwuchsjournalisten die Bedeutung des Widerstands gegen den Vietnamkrieg. «We made mistakes, but we were right.» Vielleicht so etwas wie die Essenz dieses Films. Protest, so Redfords Demokratieverständnis, muss möglich sein. Das Bedauern über Fehler bedeutet aber noch nicht, dass man seine Überzeugung aufgibt.

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Nun wird auch deutlich, was Sloan / Grant vorhat. Er macht sich auf die Suche nach alten «Weathermen», um seine ehemalige Geliebte, Mimi Lurie, ausfindig zu machen – die einzige Person, die ihn entlasten könnte. Und so kommt es zu kurzen, aber auch sehr intensiven Auftritten von Nick Nolte (mit «Liberty or Death»-T-Shirt) und Richard Jenkins als College-Professor, der Angst hat, mit in die Geschichte hineingezogen zu werden. «We used to be the best of friends», sagt einer von ihnen. The Company You Keep ist auch ein Film über Freundschaften, denen die Zeit nichts anhaben konnte.

Und dann kommt, entdeckt von Shepard, noch jemand anderes ins Spiel: Henry Osborne, der ermittelnde Beamte des damaligen Banküberfalls. Shepard ist längst klar, dass Grant nicht davonläuft, sondern nach einer Lösung sucht: Er will sein Leben zurück. «Ich war länger Jim Grant als ich selbst», sagt Nick Sloan an einer Stelle, um seine Identität ringend. So endet der Film nicht nur mit der Begegnung zwischen Grant und Mimi in einer einsamen Hütte in Michigan, sondern auch mit der Konfrontation zwischen Grant und Shepard.

Zum Reichtum der Geschichte, die Redford hier erzählt, zu ihrer Bedeutung und Durchdachtheit gehört auch eine menschliche Dimension, die sich vor allem in der Figur von Osbornes schöner Tochter Rebecca manifestiert. Sie birgt ein Geheimnis, dessen Kenntnis Jim Grant einmal als gefährlich bezeichnet. Etwas über eine andere Person zu wissen, bedeute auch, etwas über sich selbst zu entdecken. So wird Brit Marling in dieser Rolle zum Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen radikalen Linken und gemässigten Demokraten. «Ich habe sechs verschiedene Leben geführt», sagt Julie Christie als Mimi Lurie am Ende, und darin liegt die ganze Tragik ihres Lebens begründet. Ein Leben, das immer auch Lüge ist.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 5/2013 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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