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Life

Wer kennt nicht das Foto von James Dean, Zigarette lässig im Mundwinkel, Mantelkragen hochgeschlagen, am regennassen Time Square? Eine Ikone der modernen Porträtfotografie. Sie stammt vom Magnum-Fotografen Dennis Stock, der für Regisseur Anton Corbijn den Mittelpunkt seines Films bieten soll

Text: Erwin Schaar / 23. Sep. 2015

Wer kennt nicht das Foto von James Dean, Zigarette lässig im Mundwinkel, Mantelkragen hochgeschlagen, am regennassen Time Square? Eine Ikone der modernen Porträtfotografie. Sie stammt vom Magnum-Fotografen Dennis Stock, der für Regisseur Anton Corbijn den Mittelpunkt seines Films bieten soll: «Als Fotograf interessiert mich die Beziehung zwischen einem Fotografen und seinem Objekt.» Und so ist die Story um das Aufeinandertreffen von Stock und James Dean für das Jahr geschrieben, in dem Dean sterben sollte: 1955. Da einem ständig die besagte Fotografie im Kopf herumgeht, ist man einen grossen Teil des Films in Wartestellung auf das fotografische Ereignis. Welchen Spannungspunkt baut Corbijn auf, um die Erfüllung geschehen zu lassen? Immerhin hat er, der durch Fotos aus der Pop- und Rockszene und seine Musikvideos ein Renommee erreicht hatte, mit [art:most-wanted-man] (2014) bewiesen, dass er ein spannungsvolles Sujet adäquat zu gestalten weiss. Aber die Spannung bleibt dem Foto inhärent. Der niederländische Fotograf und Regisseur begibt sich stilistisch eher in die Zeit seiner Geschichte, fügt zwar ellipsenartig die Partikel der Handlung für geübte Zuschauer zusammen, hält aber die einzelnen Aktionen in einem beschaulichen Tempo.

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Der 26-jährige Stock trifft Dean auf einer Party von Nicholas Ray. Sie entwickeln eine Freundschaft zueinander, und Stock möchte mit Dean, dem eine glänzende Karriere vorhergesagt wird, eine Fotostory für das «Life»-Magazin gestalten, was auch ihm einigen Ruhm und finanziellen Erfolg einbringen dürfte. Schliesslich ist er frisch geschieden und muss seiner Frau und seinem Sohn Unterhalt leisten. Dean hat die Trennung von seiner Geliebten Pier Angeli tief getroffen, und da können auch die Drohungen des Produzenten Jack Warner ihn nicht davon abhalten, die Premiere seines erfolgversprechenden East of Eden zu missachten und mit dem neuen Freund seine Heimat in Indiana zu besuchen, Menschen wieder zu begegnen, die ihm lieb und teuer sind, denen er sein Lebensgefühl verdankt. Ein von Ben Kingsley gegebener Jack Warner, der ihm nachtelefoniert, gerät dabei in seiner Rolle und Maske zu einer eher holzschnittartigen Figur mit karikaturhaften Zügen.

Sind die Szenen des Privatlebens in Indiana auf der Farm von Deans Verwandten, wo auch eine Reihe von Stocks Aufnahmen für «Life» entstehen, eher sehnsuchtsvoll einem Mikrokosmos des Lebens gewidmet, wirken die Begegnungen Stocks mit seiner geschiedenen Frau und seinem Sohn wenig überzeugend, wie die ganze Figur des Fotografen. Ein eher souverän spielender Dane DeHaan lässt Robert Pattinson etwas blass aussehen. Wenn nicht all die Namen der Regisseure, der Schauspieler, der Filme auch die Handlung mitgestalten würden, wo läge der Spannungspunkt der Geschichte, der Personen und ihrer Aktionen? Die kurze Begegnungszeit von James Dean und Dennis Stock – kaum ein Jahr – lässt keine Steigerung zu einem sich entwickelnden emotionalen Höhepunkt zu, sodass dann die Hoffnung auf das Bild «James Dean haunted Times Square» zum Spannungspunkt des Films wird. Und der Abschied für immer von Dean und Stock gerät zu einem kurzen Gefühlsmoment, weil da Erfahrungen des Zuschauers einfliessen können.

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Dieser Mangel an Emotionalität der Handlung mag vielleicht auch einer Haltung der Kamerafrau Charlotte Bruus Christensen geschuldet sein: «I’m coming from moving images, and Anton’s coming from the still images, so we kind of challenged each other in a very interesting way.» Es ist jedenfalls interessant, dass die im Abspann zwischengeschnittenen originalen Schwarzweissaufnahmen von Dennis Stock, denen Einstellungen des Films nachgebildet sind, mehr Spannung ausdrücken und mehr über Zeit und Person aussagen als die farbigen falschen Doubletten.

Eine wichtige Figur für die Inszenierung des imaginierten Zeitgefühls darf auf keinen Fall vergessen werden: Owen Pallett, der kanadische Violinist und Sänger aus Toronto, verantwortlich für die Auswahl der bluesigen, rockigen, jazzigen Musik der Zeit, die allerdings nicht von der damals bereits existierenden experimentellen Moderne geprägt ist. Der musikalische Score ist vielleicht nicht ganz stimmig, aber er gibt den Bildern etwas von der Tradition einer Zeit, wie wir diese heute gerne sehen.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 6/2015 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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