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Battle of the Sexes

In ihrem neuen Film erzählen Valerie Faris und Jonathan Dayton, wie vor vierzig Jahren ein Tennismatch zum Etappensieg der Frauenbewegung wurde. Herausgekommen ist ein feinfüh­liges Feelgood-Movie mit ernsten Untertönen

Text: Philipp Brunner / 21. Nov. 2017

Am 20. September 1973 fand in Houston ein Sport­ereignis der besonderen Art statt. Der Herausforderer: Bobby Riggs, 55, ehemaliger Tennisprofi und Sexist ersten Grades. Die Kontrahentin: Billie Jean King, 29, Weltbeste im Frauentennis. Von Anfang an war das Match als Schaukampf gedacht, mit dem Riggs beweisen wollte, dass Frauen das schlechtere Tennis spielten und dass ihre eigentliche Rolle entweder die des Heimchens am Herd oder des Betthäschens sei. Alles eine simple Frage der Biologie. So ging es an diesem Tag um weit mehr als nur um ein Tennisspiel. Es ging um einen Kampf der Geschlechter, und der würde, wie Riggs glaubte, im Handumdrehen zu gewinnen sein. Er sollte sich gründlich irren. Vor 30 000 Zuschauern im Stadion und neunzig Millionen an den Fernsehgeräten ging der als «battle of the sexes» angekündigte Event zwar durchaus in die Geschichte ein. Nur nicht so, wie sich das Riggs vorgestellt hatte.

Das vermeintlich sportliche Ereignis, das in Wahrheit ein gesellschaftspolitisches war, steht im Zentrum von Battle of the Sexes, dem dritten Spielfilm von Valerie Faris und Jonathan Dayton. Vor zehn Jahren hatten die beiden mit Little Miss Sunshine debütiert. Die hinreissende Geschichte über eine Familie, die etliche Strapazen auf sich nimmt, um der pummeligen Tochter die Teilnahme an einem Kinderschönheitswettbewerb zu ermöglichen, wurde zum Überraschungserfolg, an den der missglückte Zweitling Ruby Sparks allerdings nicht anschliessen konnte. Umso erfreulicher, dass das Regieduo sein Können nun erneut unter Beweis stellt. Tatsächlich ähnelt der Tonfall von Battle of the Sexes dem von Little Miss Sunshine auf eindrückliche Weise: dieselbe Mischung aus Geschmeidigkeit und Geradlinigkeit, dieselbe Balance zwischen Augenzwinkern und Seriosität, derselbe Verzicht auf Drama und Sentiment – und das bei einem Thema, das problemlos Hand geboten hätte für die grosse Geste, den mahnenden Zeigefinger, das Bedeutungsschwangere. Stattdessen Leichtigkeit, gepaart mit Tiefgang, und vor allem: Raum. Raum für die Schauspieler, die nicht bis zum Letzten gehen müssen, sondern vieles einfach nur andeuten oder aussparen können. Und Raum für den Zuschauer, der emotional Anteil nehmen kann, ohne durch zähen Gefühlsbrei erstickt zu werden.

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So verfolgt man mit Lust das klug inszenierte Aufeinandertreffen zweier Ungleicher: hier die selbstbewusste King, dort der ausgemachte Chauvinist Riggs. Eine erste Anfrage des alternden Gockels lehnt sie noch ab, weil sie sich nicht für ein billiges Spektakel hergeben will. Doch Riggs lässt nicht locker. Stattdessen bringt er Margaret Court (Kings Konkurrentin im Kampf um Platz eins der Weltrangliste) dazu, gegen ihn anzutreten. Das Spiel wird zum Debakel: Court geht sang- und klanglos unter – ein herber Rückschlag für die Frauenbewegung. Doch nun ist Kings Ehrgeiz angestachelt, ist sie zum Zweikampf gegen Riggs bereit, im Bewusstsein, wie hoch ihr Einsatz tatsächlich ist. Denn es ist ein Kampf an mehreren Fronten, der noch dazu zum medialen Grossereignis hochgepeitscht und vor aller Augen ausgetragen wird. Als ob das nicht genug wäre, steht auch noch ihr Privatleben auf dem Spiel, denn obschon sie mit ihrem Mann Larry eine zwar respektvolle, aber auch blutleere Ehe führt, entdeckt sie, dass sie eigentlich auf Frauen steht. Billie Jeans Begegnung mit der Coiffeuse Marilyn gerät in der Inszenierung von Faris und Dayton zum kleinen erotischen Juwel: weil die Frauen «jenen uralten, niemals festgelegten und doch unmissverständlichen Blick» wechseln, den Armistead Maupin in seinen «Tales of the City» so treffend beschreibt; weil nichts ausgesprochen wird, aber trotzdem alles klar ist; weil hier zwei zusammentreffen, die ihr gegenseitiges Begehren auf der Stelle begreifen und zulassen; und weil der Film den beiden (und uns) gerade genug Zeit gibt, diesen Moment gebührend auszukosten.

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Für die Frauenbewegung und später für die gay liberation hatte King wohl einen ähnlichen Stellenwert wie Mohammed Ali für die Bürgerrechtsbewegung. In beiden Fällen ging es längst nicht nur um Sport, sondern um Politik und die Notwendigkeit gesellschaftlichen Wandels. Für das Regieduo Faris/Dayton liegt genau darin der Dreh- und Angelpunkt ihres Films: Battle of the Sexes erzähle nicht nur die Geschichte eines historischen Sportereignisses, «sondern zugleich die private Verwandlung einer Frau, die im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand. Uns interessierte, wie es ihr gelang, diesen zugleich persönlichen und politischen Kampf zu führen.» Und obwohl das Match zwischen King und Riggs vor über vierzig Jahren stattfand, schimmern die Bezüge zur Gegenwart deutlich durch: Faris und Dayton begannen 2016 mit der Arbeit an ihrem Projekt, mitten im Präsidentschaftswahlkampf in den USA, als alles dafür sprach, dass Amerika von einer Frau regiert werden würde. «Damals dachten viele, der Film würde zeigen, wie weit wir es seit dem historischen Spiel von 1973 gebracht haben.» Es sollte anders kommen. In gewisser Weise trat sogar das Gegenteil ein, denn eines hat die Wahl von Donald Trump womöglich stärker verdeutlicht, als es ein Sieg von Hillary Clinton je vermocht hätte: Seit den siebziger Jahren wurde in Sachen Gleichberechtigung zwar viel errungen, doch zu viel ist nach wie vor unerreicht – und viel zu viel wird seit Trumps Amtsantritt wieder neu errungen werden müssen.

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Dass die im Grunde ernsten Themen von Battle of the Sexes – Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern, Ebenbürtigkeit zwischen Homo- und Heterosexualität – trotzdem so leichtfüssig daherkommen, ist auch der schauspielerischen Leistung der Hauptdarsteller geschuldet. Emma Stone scheint die Rolle der Billie Jean King auf den Leib geschrieben, und sie durchdringt sie mit der ihr eigenen Mischung aus Schalk, Klugheit und hoher physischer Präsenz. Steve Carell, der in Little Miss Sunshine den suizidgefährdeten schwulen Onkel mit lakonischem Witz gab, verkörpert die unsympathische Rolle des Bobby Riggs mit einer Beharrlichkeit, die auf den ersten Blick verunsichert: Unglaublich, wie sehr er sich als Riggs zum Affen macht und für nichts zu schade scheint. Doch spätestens als er angesichts der Niederlage gegen King lautlos implodiert, wird klar, dass Carell nicht chargiert, sondern nur konsequent agiert. Letztlich ist sein Riggs ein armer Kerl, der vollkommen abhängig ist: vom Vermögen seiner Frau, von seiner Spielsucht, vom schenkelklopfenden Zuspruch seines Männerpublikums.

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Sowohl Carell als auch Stone beweisen hier zum wiederholten Mal, dass die Tragikomödie ihr eigent­liches Fach ist. Und von der glaubt man ja gern, sie sei – als Ausdruck leichter Unterhaltung – leicht hin­zu­kriegen. Wer es jemals ernsthaft versucht hat, weiss es besser, weiss, dass sich der Eindruck von Leichtigkeit nur dann überzeugend einstellt, wenn ihm harte ­Knochenarbeit vorausgeht. Das Regieduo von Battle of the Sexes macht vor, wie es geht. Und beweist damit ganz nebenbei, dass Little Miss Sunshine kein Zufallstreffer war. Game, Set, Match: Mrs. Faris and Mr. ­Dayton!

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 7/2017 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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