The New Pope

Paolo Sorrentino
Der Reigen der Intrige im Vatikan geht weiter. Eine lustvolle Inszenierung des Lebens mit Starbesetzung hinter altehrwürdigen
Mauern, die für die moralischen Eskapadendes italienischen Meisters Sorrentino geschaffen scheinen.
Papst Johannes Paul III. nimmt dem schwulen Kardinal Gutierrez die Beichte ab. Durch das Gitter im Beichtstuhl sieht der den Stellvertreter Gottes reumütig an. Der Kardinal berichtet von seinem jungen Liebhaber, der in sein Zimmer kam, vor den Spiegel trat und sich davor entkleidete, als wäre er unbeobachtet. John Malkovich, in seiner Rolle als Papst, schliesst die Augen, und als würden wir in seinen Kopf sehen, zieht sich sein Objekt der Begierde, die Marketing-Chefin des Heiligen Stuhls Sofia Dubois, gespielt von Cécile de France, vor einem Spiegel aus. Der Kardinal erzählt von den sanften Bewegungen und der langsamen Zuwendung seines Liebhabers zu ihm, und wir sehen Dubois, die auf die Kamera zugeht. Unruhig runzelt der Papst auf seinem Stuhl seine Stirn, bis er dem Treiben mit einem «Genug!» ein Ende setzt.

Die Beichte geht mit der ritualisierten Formulierung von Vergebung zu Ende – im Gegensatz zur vermeintlichen Fantasie des Papstes. Denn die Nackte hört nicht auf, ihr Gegenüber zu triezen. Der flehende Blick des Kardinals durch das Gitter zum obersten Priester wird in der Parallelmontage zu einem gierigen, der Dubois durch ein Loch in der Wand trifft, das sich als Glory Hole herausstellt, vor dem sie schliesslich mit geöffnetem Mund hinkniet und auf ihren Mann wartet.

Paolo Sorrentino führt in seiner Miniserie The New Pope gekonnt die Fortsetzung seines Theaters der Lust, der Liebe, der Macht und des Glaubens im Vatikanstaat auf. Das Sequel von The Young Pope, in dem wir einen Cherry-Coke-Zero-trinkenden und rauchenden Jude Law als Pius XIII. in den apostolischen Weihen sahen, setzt unmittelbar nach dem Ende seines Vorgängers an: Der junge Papst liegt im Koma und die heimliche Hauptfigur, der Camerlengo und Staatssekretär des Vatikans Kardinal Angelo Voiello (Silvio Orlando), hat die Fäden in der Hand. Ein neuer Papst muss her und ein zurückhaltender englischer Bischof soll es richten. Drei Jahre nachdem The Young Pope einen fundamentalen Konservatismus ausrief, versucht der besonnene neue Papst, gespielt von Malkovich, also sein Glück auf dem Heiligen Stuhl, während sein Vorgänger wie eine stumme Drohung weiterhin im Koma liegt. Wer die erste Staffel, die nominell eine eigene Serie ist, noch nicht gesehen hat, sollte das übrigens unbedingt vor The New Pope nachholen.

In den ersten Folgen von The New Pope ziert sich der neue Pontifex in spe noch, lässt die römische Delegation in pompöser Kulisse auf seinem herrschaftlichen Gut zappeln. Als der Strippenzieher Voiello ihn endlich dazu bewegen kann, sich zur Wahl zu stellen, geht es erst richtig los. Die Kirche ist in der Krise und diverse Bedrohungen bahnen sich an: Attentate, hinter denen ein Kalif zu stehen scheint, der immer wieder per Röhrenfernseher seine arabische Botschaft in den päpstlichen Palast ruft, erfordern eine dezidierte Reaktion. Währenddessen treten die Nonnen des Zwergstaats in den Streik, und die populistische Regierung Italiens – stark an die 5-Stelle-Bewegung angelehnt – will die Steuerprivilegien des Vatikans aufheben. Und dann seufzt auch noch der komatöse Pius XIII. in unheimlich regelmässigen Abständen von seinem Krankenbett auf, live in die Welt übertragen per Radio. Auf ihn wartet ausserdem eine radikalisierte Gefolg-schaft, die in ihm einen Heiligen oder gar die Wiederauferstehung Christi selbst sieht. Der melancholische Neo-Papst hat es also nicht leicht. Und die Intrigen wachsen ihm schnell über den Kopf, während er sein grosses Fernsehinterview vor sich herschiebt, in dem er seinen Entschluss zur Anerkennung homosexueller Priester wie eine Bombe platzen lassen will.

In der trägen und verschworenen Welt der katholischen Kirche entfaltet Sorrentino seine gewohnt ruhige Erzählart, die auf fantastisch inszenierte Bilder aufbaut. Er dreht und wendet das alles gekonnt, auch wenn sich der eine oder andere Faden etwas allzu un-
spektakulär verliert. Kontrastiert wird das Ganze mit subtiler Situationskomik und einer geballten Ladung Erotik. Hier zeigt sich aber gleichzeitig das einzig grundlegende Problem dieser aufreizenden Inszenierung: Fast jede Darstellerin ist einmal nackt zu sehen und Frauenkörper dienen überhaupt meist nur als Fetischobjekt und Personifizierung der Sünde. Das ist zwar sexy, aber eben auch genauso sexistisch wie die Showgirls im italienischen Fernsehen.
Die Miniserie ist seit Januar auf Sky Show verfügbar.
Idee, Regie: Paolo Sorrentino; Buch: Paolo Sorrentino, Stefano Bises, Umberto Contarello; Produktion: Jude Law, Paolo Sorrentino,
Nils Hartmann, Elena Recchia u. a.; Kamera: Luca Bigazzi; Darsteller_in (Rolle): John Malkovich (John Paul III.), Cécile de France (Sofia Dubois), Silvio Orlando (Angelo Voiello), Jude Law (Pius XIII.); Produktion: Sky Italia, HBO, Canal+; Italien, USA, Grossbritanien u. a. 2019–. Streaming CH/D: Sky Show.
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