Beastie Boys Story

Spike Jonze
Eigentlich sollte die Beastie Boys Story von Indie-Regisseur Spike Jonze etwas vom Mythos der Band abbauen, doch steckt die Musikdok im Loop zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit fest. Die Beats der New Yorker Band bleiben aber unwiderstehlich.
Vor Jahren hatte ich einmal gelesen, dass der Hitsong «(You Gotta) Fight for Your Right (to Party)» von den Beastie Boys eigentlich eine Parodie hätte sein sollen auf die nimmermüde Partykultur, bevor er ganz frei von Ironie zur Hymne ebendieser wurde. Sollte das wirklich zutreffen, gehören die Beastie Boys wohl zu den am meisten missverstandenen Figuren der jüngeren Popgeschichte. Doch bei solchen Stars und ihren Legenden weiss man eben nie ganz, was nun stimmt.
Vielleicht sind Adam «MCA» Yauch, Michael «Mike D» Diamond und Adam «Ad Rock» Horovitz, bereits älter geworden, plötzlich ihrem Ruf als Party-macher leid gewesen und haben diesen Mythos in die Welt gesetzt. Jedenfalls sind die Beastie Boys seit dem Tag, mehr als zuvor, für mich zum kulturellen Enigma geworden.
Umso besser also nimmt sich Spike Jonze der Sache in seiner brandneuen Dok Beastie Boys Story an. «We’re not very talented musically, so we figured we’d try all kinds of different realms», meint einer der Boys gleich zu Beginn des Films in einem Zusammenschnitt von Archivaufnahmen.
Diese Vielseitigkeit, die Untrennbarkeit von Ironie und sincerity ist ein Markenzeichen der Beastie Boys, damals die erste weisse Rapband bei Def Jam Records, deren Mitglieder irgendwie auch Rockstars waren und Gitarre spielten («a cartoon rap version of an 80’s metal band», wie Mike D einmal meint). Damals, in den frühen Achtzigern, sind sie gerade frisch aus einem jüdischen Viertel New Yorks spaziert und zu Weltruhm gelangt.

Beastie Boys Story setzt zunächst mit der Portion Personenkult an, die man sich vom Genre Biopic gewohnt ist: Fast kriegt man Gänsehaut, wenn man den verschwitzten Fans zusieht, wie sie in Schlangen vor Konzerthallen stehen und runterbeten, welche der drei New Yorker nun der Beste in der Band sei – alles zu den Klängen deren grösster Hits.
Dann aber schraubt der Film zurück, folgt nüchterner den Erzählungen der zwei verbleibenden Beastie Boys, Mike D und Ad Rock (Yauch ist 2012 an Krebs gestorben). Auf der Bühne einer vollgepackten Halle rollen sie für ein nun deutlich älter und zahmer gewordenes Publikum ihren Anteil zur Musikgeschichte seit den Anfängen der Band, ihren Hardcore-Zeiten hin zum Rap, vor einer Diashow aus Fotos und Videos auf.
Dabei ist es schwer, nicht begeistert zu sein ob der damaligen Experimentierfreude der drei Teenager, die sich auf einer Damentoilette bei einem Misfits-Konzert getroffen hatten – so zumindest die Legende, denn die beiden geben für einmal ganz offen zu, dass es vielleicht auch ein anderes Konzert war, aber die Misfits klingen eben besonders cool.
Solche illustren Erzählungen stehen in Beastie Boys Story im krassen Gegensatz zur Inszenierungsweise des Films, der ab nun ausser einigen Outtakes und Archivaufnahmen der Bühnenperformance der beiden folgt. Wieso man einen Regisseur vom Format eines Jonzes dafür braucht? Der hat sich nach Kinofilmen wie Being John Malkovich, Adaptation oder Synecdoche, New York immer einmal wieder solchen Projekten zugewendet, zuletzt bereits für Netflix, für Aziz Ansaris Stand-up-Special Aziz Ansari: Right Now (2019). Beastie Boys Story präsentiert sich ästhetisch ganz ähnlich.

Eigentlich sollte der Film wohl etwas vom Mysterium um die Beastie Boys auflösen, besonders, wenn Diamond und Horovitz den Sexismus ihrer Industrie oder die Tendenzen zur cultural appropriation zur Sprache bringen oder wenn deutlich wird, wie bewusst die Jungs damals gemeinsam mit ihren Def-Jam-Produzenten am eigenen Bad-Boy-Image gefeilt hatten. Auch die Geschichte um «Fight for Your Right» wird nochmals aufgewickelt: Es sei tatsächlich ironisch gemeint, als Satire auf frat boys und toxische Vollidioten, zu denen die Beastie Boys, das geben die beiden zu, im Rausch des Ruhms ab und an auch selbst geworden sind.
So wird dekonstruiert und – das liegt in der Natur eines zweistündigen Biopics – gleichzeitig fleissig am Mythos gebaut; diese Spannung lässt sich nicht auflösen. Aber vielleicht sollten die letzten Legenden um die einzige weisse, jüdische Cartoon-Rap-Hardcore-Band auch nie komplett zerlegt werden. Stattdessen, das lernt man in Beastie Boys Story: just «hit it!»
Der Film ist seit April 2020 auf Apple TV+ verfügbar.
Regie: Spike Jonze; Drehbuch: Adam Horovitz, Spike Jonze, Michael Diamond; Produzent_in: Amanda Adelson, Jason Baum, Spike Jonze; Kamera: Autumn Durald; Art Direction: Eric Dean; Production Design: Sam Lisenco; Produktion: Fresh Bread, Pulse Films,
PolyGram Entertainment, USA 2020. Dauer: 120 Min.
Gefällt dir Filmbulletin? Unser Onlineauftritt ist bis jetzt kostenlos für alle verfügbar. Das ist nicht selbstverständlich. Deine Spende hilft uns, egal ob gross oder klein!