Da 5 Bloods

Spike Lee
Vier afroamerikanische Vietnamveteranen kehren in den Dschungel zurück, um die Gebeine ihres gefallenen Kameraden zu bergen. Und in geheimer Mission eine Kiste Gold. Spike Lees tragikomische Netflix-Produktion ist der Film der Stunde, den man schon vor Jahrzehnten hätte drehen sollen.
In Spike Lees BlacKkKlansman sitzt ein junger Afroamerikaner in einem Police Department. Es geht um einen Job und, wie könnte es Anfang der Siebzigerjahre anders sein, um richtige Antworten auf Politik – und Vietnam. Was er vom Krieg in Vietnam halte, möchte man von ihm wissen. Schwierige Sache. Er sei zwiegespalten, gibt der Mann zu verstehen – und ist mit seiner ausweichenden Antwort als erster Schwarzer Detective von Colorado Springs engagiert. Als er wenig später die lokale Schwarze Studentenvereinigung während eines Gastauftritts des Black-Power-Aktivisten Kwame Ture observieren muss, bekommt er eine deutlichere Antwort zu hören: «That war in Vietnam, it is not only illegal, it is immoral.» Worauf das Publikum skandiert: «Hell no, we won’t go!»
Auch Lees aktueller Film Da 5 Bloods handelt – diesmal sehr konkret – vom Schwarzen Engagement für und gegen das sogenannte «Engagement» der USA in Vietnam: Otis (Clarke Peters), Eddie (Norm Lewis), Melvin (Isiah Whitlock Jr.) und Paul (Delroy Lindo) haben damals Kwame Ture nicht zugehört, sondern sind nach Vietnam marschiert. Und nun treffen sie einander knapp vierzig Jahre später in Ho-Chi-Minh-Stadt wieder, um erneut in den Dschungel aufzubrechen. Das Veteranenquartett möchte die sterblichen Überreste seines gefallenen Anführers bergen und in der Heimat begraben.

Da 5 Bloods macht das gleich in den ersten Minuten deutlich, wenn Lee wieder einmal mit prägnantem Archivmaterial die Vergangenheit und die Gegenwart drastisch kurzschliesst: «America has declared war on Black people», prophezeit Kwame Ture auf Aufnahmen aus dem Jahr 1968, und Angela Davis warnt ein Jahr später vor der Gefahr, die Bürgerrechtsbewegung und die Proteste gegen Vietnam zu trennen («We may very well face a period of full-blown fascism very soon»). Dann stehen die vier alten Männer in einer vietnamesischen Hotellobby, verbreiten gute Laune und machen schlechte Scherze. Doch man weiss, dass hier ein emotionales Pulverfass explodieren wird: Der Korpsgeist ist im Laufe der Jahre zur blossen Attitüde geworden, und dass neben den Gebeinen auch eine Kiste Gold gehoben werden soll, die beim damaligen Einsatz vergraben wurde, schmälert das hehre Anliegen ihrer Suche. Paul, bekennender Trump-Fan mit passender Baseballmütze, sorgt für beängstigende Unruhe im Team und muss sich obendrein mit seinem Sohn, der sich kurzfristig der Expedition anschliesst, konfrontieren. Jean Reno als Desroche verfolgt derweil als französischer Kontaktmann sein eigenes Ziel und verlängert den europäischen Imperialismus ins nächste Jahrhundert.

Wie sein Vorgänger ist auch Da 5 Bloods eine Tragikomödie. Vor allem aber ein Film, der sich auf den verschiedenen Ebenen – in seiner Erzählung, seiner Ästhetik, in der Charakterisierung seiner Figuren und sogar im mehrmaligen Wechsel des Bildformats – als ein buntes Gemisch erweist, in dem fortschreitend dunklere Töne zum Vorschein kommen. Ein BlackLivesMatter-Kriegsfilm und Buddy-Movie, ein teilweise loses Durcheinander von Formen und Motiven, wenig subtilen Verweisen und filmhistorischen Anspielungen. In den Rückblenden, gedreht im 16-mm-Format, bei dem «Storming» Norman (gespielt von «Black Panther» Chadwick Boseman) ums Leben kam, verzichtet Lee auf jüngere Darsteller oder digitalen Verjüngungs-Schnickschnack. Was kurzfristig irritiert, erweist sich als bemerkenswerter Kunstgriff: Die Verhältnisse haben sich seit Vietnam nicht geändert, wieso sollte es also in den Gesichtern anders sein.

Lee versucht erst gar nicht, der Komplexität der Verhältnisse mit einer komplexen Analyse beizukommen. Das tat er als Galionsfigur des Black Cinema nie, denn seine Strategie ist eine andere: Erkläre nicht, zeige es. Zeige den Rassismus dort, wo er längst Teil des Systems geworden ist. Damit man irgendwann nicht mehr überrascht ist, dass er seit der Staatsgründung der USA immer schon da war, und in Vietnam Schwarze Soldaten überproportional vertreten waren, kämpften und starben.
An das Ende des Films setzt Lee eine Predigt von Martin Luther King, in der dieser ein Jahr vor seiner Ermordung den Dichter Langston Hughes zitiert: «O, yes /I say it plain /America never was America to me /And yet I swear this oath – America will be!»
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