Filmbulletin Print Logo
Tranquillo still01 1024x576

Tranquillo

Obwohl die Identifizierung mit der Hauptfigur von Tranquillo eher schwerfällt, werden sich speziell Zürcher Kinogäste von der Musik und den Bildern der kleinsten Metropole der Welt angesprochen fühlen.

Text: Jonas Stetter / 25. Mai 2018

Peter ist Mitte zwanzig, lebt in Zürich und veranstaltet Partys. Seine Freizeit verbringt er mit Freunden auf Strassen und Dachterrassen oder auf dem Balkon mit seiner Freundin Louise. Ihn beschäftigen die Fragen eines typischen Zürchers: In welche Szene gehört er? Verpasst er etwas, wenn er in einer Beziehung ist? Die Identitätskrise bringt einen Tinnitus mit sich, dessen genauen Ursprung unklar ist. Der Tinnitus stellt Peter wiederum vor eine Reihe von Gefühlen der Isolation und des Selbstzweifels.

«Gern nomal eis, chef.» So bestellt Peter – oder Peti, wie seine Freunde ihn nennen – in der Marsbar an der Langstrasse sein Bier. So ähnlich bestelle auch ich in der Marsbar mein Bier. Tranquillo ist voll von Momenten wie diesem, der natürliches und instinktives Verhalten in der heimischen Stadt darstellt. Man kennt und erkennt vieles; von Bauten über den Umgang mit Freunden und Unbekannten bis hin zur Musik von Faber und Pablo Nouvelle. Als Porträt der grössten Stadt der Schweiz funktioniert der Film von Jungregisseur Jonathan Jäggi, wohl selbst ein Kind der Szene, gut.

Tranquillo still03 1024x576

Es ist auch der Grund, weshalb die Beschränkung des Budgets, die sich beispielsweise darin zeigt, dass mit nur einer Kamera gedreht wurde, nicht weiter stört. Wenn eine Szene etwas zu lange dauert oder nicht jeder Satz im Skript oder auf den Lippen der Darsteller perfekt sitzt, trägt das meist zum gezeichneten Lebensgefühl bei. Peter geht es schliesslich auch so: Nicht alles macht Sinn, etwas stört ihn, lässt ihn nicht ruhen. Er schiebt das auf den Tinnitus, der ihm den Schlaf raubt.

Die Planlosigkeit der Figur überträgt sich auf den Plot, der Film ist sich nicht sicher, was er aussagen möchte bis auf den ebenfalls ambivalenten Titel Tranquillo, der wohl als Rat zur Beruhigung für Peter gelten soll. Während diese Willkür zur Geschichte passt, fällt es einem manchmal schwer zu verstehen, auf welchem Thema gerade der Fokus liegt, was mit der Zeit frustriert. Zur Frustration trägt auch bei, dass man – trotz Verständnis gegenüber den Thematiken, mit welchen sich der Film beschäftigt – Mühe hat, sich mit der Hauptfigur gleichzusetzen und besonders ihr Verhalten nachzuvollziehen. So vergleicht man sich eher mit Nebenfiguren wie Peters Freundin Louise.

Obwohl die Identifizierung mit der Hauptfigur schwerfällt, werden sich speziell Zürcher Kinogäste von der Musik und den Bildern der kleinsten Metropole der Welt angesprochen fühlen.

Tranquillo still10 1024x576

Jonas Stetter ist der Gewinner des Filmkritik-Workshops, der am 7. April 2018 in Zusammenarbeit mit den Schweizer Jugendfilmtagen und der Zürcher Hochschule der Künste stattfand.

Weitere Empfehlungen

Junge Kritik

23. Apr. 2014

Tempo Girl

Dominik Locher will mit seinem Filmdebüt Tempo Girl die Geschichte seiner Generation erzählen und trifft mit der Unruhe den Nerv unserer Zeit.

Junge Kritik

23. Juli 2018

Tripoli Cancelled

In Tripoli Cancelled von Naeem Mohaiemen streift ein älterer Herr seit gut 3700 Tagen allein durch einen verlassenen Flughafen in der Nähe von Athen. Der Film handelt vom Menschsein.