Nichts scheint banaler, als «Pause» zu drücken. Ob für den Gang ins Badezimmer oder zum Kühlschrank oder auch einfach nur, um rasch auf eine Textnachricht zu antworten oder im Internet etwas nachzuschauen – dass wir die Filme auf unseren eigenen Geräten nicht mehr am Stück, sondern von kleineren und grösseren Pausen unterbrochen schauen, ist zu einer normalen Praktik geworden. Auch das ist gemeint, wenn wir heute von asynchronem Schauen sprechen: Nicht nur, dass die Filme nicht mehr nach Kino- oder Fernsehprogramm laufen, sondern dann, wann es uns passt, sondern auch, dass wir sie so oft unterbrechen können, wie wir wollen.
Diese neue Selbstverständlichkeit der Pause ist umso frappierender, wenn man sie mit der sagenhaften Beunruhigung vergleicht, die Unterbrechungen im Kino noch auslösten. Wenn der Film im Projektor nicht mehr weiterlief, sondern vor der Lampe stehen blieb, dann drohte der Streifen dabei durchzubrennen. Das war bei den Filmen, die bis in die Fünfzigerjahre auf Zelluloid gezeigt wurden, nicht bloss ärgerlich, sondern sogar lebensbedrohlich. Die Nitrozellulose, aus der die Filme bestanden, verbrannte bei zu grosser Hitze geradezu explosionsartig und war kaum mehr zu löschen. Nicht umsonst gelten für Zelluloidfilme mittlerweile Sprengstoffverordnungen.
Das Anhalten eines Films erwies sich somit als buchstäblich brandgefährlich, wie man in Giuseppe Tornatores Nuovo Cinema Paradiso (1988) vorgeführt kriegt, wo einem durchbrennenden Film das ganze Kino und beinahe auch der Filmvorführer Alfredo zum Opfer fällt. Aber auch bei den später entwickelten, schwerer entflammbaren und deswegen «Sicherheitsfilm» genannten Trägermedien übersteht ein Film die Pause vor der Projektlampe nicht lange unbeschadet, sondern geht aufgrund der Hitze schnell kaputt.
Dieser Moment der Zerstörung aber ist selbst noch ein letztes, grandioses visuelles Spektakel. Vereinzelt wurde es sogar bewusst zum filmischen Stilmittel gemacht. Jerzy Skolimowski beendet seinen Film Le Départ (1967) damit, dass er die finale Grossaufnahme seines Hauptdarstellers Jean-Pierre Léaud von der Lampe durchschmoren lässt. Auch am Schluss von Monte Hellmans Roadmovie Two-Lane Blacktop (1971), wenn der von James Taylor gespielte, namenlose Strassenrennfahrer zu einem weiteren Wettkampf antritt, wird der Film im Unterschied zu seinem sich beschleunigenden Auto immer langsamer, bleibt stehen, ein brauner Fleck erscheint im Bild, die Farben zersetzen sich, das Filmmaterial wirft Blasen, um dann unter dem Sound der immer lauter werdenden Motoren zu verbrennen. Und wenn in James B. Harris’ The Bedford Incident (1965) eine Atombombe explodiert, wird der Tod einer Kriegsschiffsbesatzung als eine Folge von schmelzenden Filmkadern gezeigt. Das Durchbrennen der Bilder erweist sich als ebenso selbstreflexive wie radikale Geste: Das Anhalten der Erzählung fällt mit der Auslöschung des Mediums zusammen.
Daran änderte sich auch mit den neuen Filmapparaten fürs Heimkino vielleicht nur graduell etwas. Zwar brennen elektronische Bilder nicht mehr durch, wenn man sie anhält, das Pausieren ist aber trotzdem nicht ganz so banal, wie wir uns vormachen: Wenn wir bei einer VHS-Kassette «Pause» drückten, hiess das eigentlich, dass der Bildabnehmer des Videogeräts immer wieder über dieselbe Stelle auf dem Magnetband fuhr und diese somit allmählich abwetzte. Je länger die Pause, umso grösser der Schaden. Und wer erinnert sich noch, dass auf unseren Computern früher Bildschirmschoner installiert waren, um zu verhindern, dass stillstehende Bilder sich in den Monitor einbrennen? Aber auch nach Magnetband und Röhrenbildschirm zeigen Pausen, wie fragil es ist, was wir betrachten: Wenn bei einem Stream das Bild plötzlich einfriert, dann wird damit auch heute noch ein Zusammenbruch angekündigt, entweder der Internetverbindung oder des eigenen Rechners.
Die vollständige Kolumne gibt es in der Nr. 2/21 nachzulesen.
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