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Blackklansman 6

BlacKkKlansman

Ein schwarzer Polizist infiltriert mit der Hilfe seines jüdischen Kollegen den Ku-Klux-Klan. Eine ebenso wahre wie aberwitzige Geschichte und als Kampfansage gegen amerikanischen Neofaschismus hochaktuell.

Text: Lukas Stern / 17. Aug. 2018

Wir kennen das Bild. Es ist eines von denen, die sich von einer Sekunde auf die nächste über sämtliche Monitore des Planeten geschoben haben und deren Bedeutung denkbar weit über das hinausreicht, was sie explizit zeigen: Am 12. August 2017 rast in Charlottesville ein Auto in eine Menschenmenge. Die Strasse, in der das stattfindet, ist schmal. Die Menschen schreien. Heather Heyer stirbt. Donald Trump steht danach vor der Presse und tut, was er immer tut: Er würgt Fragen ab, stellt ihre Berechtigung in Abrede, beleidigt Journalisten_innen und spricht dann aus, was jede und jeder noch in den Ohren haben dürfte: «You had a group on one side that was bad, and you had a group on the other side that was also very violent.» Unmittelbar davor sagte er noch etwas anderes: Er habe sich die Bilder sehr genau angesehen und zwar – ganz der typisch Trump’schen Nachsatzrhetorik gemäss – sehr viel genauer, als es die Presse getan habe. Es geht dabei noch um etwas anderes als nur um die krude Relativierung eines brutalen, neonazistischen Attentats. Es geht auch darum, sich schon zum Diskurssieger zu erklären, noch bevor es zur Diskussion kommt, sich Macht und Deutungshoheit zuzuschreiben, so schnell wie möglich, das Bild zu beschlagnahmen und die diskursiven Räume, die aus politisch virulenten Bildern wie diesem herauswuchern, sofort zu besetzen.

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Wenn nun Spike Lee die Bilder aus Charlottesville an das Ende von BlacKkKlansman schneidet, dann hat auch diese filmische Schlussgeste weniger den Charakter eines neuen Gedankens, sondern sehr viel mehr den eines Nachsatzes. Der Unterschied ist wichtig, denn was Lee ganz bewusst nicht macht, ist, das Damals der Siebzigerjahre, in denen sein Film spielt, mit dem Heute in eine bloss historische Beziehung zu bringen. Vielmehr ist mit dem Damals immer schon das Heute und nichts als das Heute gemeint. In diesem Sinne führt auch Lee mit BlacKkKlansman nichts anderes im Schilde, als uns Bilder zu zeigen, die bereits über eine politische Funktion verfügen, Bilder im Modus des Angriffs: entsichert, scharf, geladen.

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Wenn also BlacKkKlansman mit den Charlottesville-Archivbildern endet, dann endet er nicht nur mit einer Kampfansage gegen den sich um und durch Trump gerade neu formierenden US-amerikanischen Faschismus, sondern mit einem bilderpolitischen Kampf, der längst in vollem Gang ist. Und es ist grossartig zu sehen, wie Lee für diesen Kampf sein Bewegungsbild mobilisiert: BlacKkKlansman erzählt eine unglaubliche, aber wahre, bis in den letzten Inszenierungswinkel hinein mit dialogischem Aberwitz vollgepumpte Geschichte: Ron Stallworth ist der erste schwarze Polizist im Colorado Springs Police Department. Aus dem todlangweiligen Archiv wechselt er bald in die Undercover-Abteilung, um – er ist schliesslich schwarz – die sich gerade lautstark gruppierende Black Students Union zu infiltrieren. Der Ärger beziehungsweise der Spass beginnt aber in dem Moment, als er aus einer spontanen, halb lausbübischen, halb genialischen Laune heraus beim Ku-Klux-Klan anruft, um sich als Schwarze verachtendes, Juden hassendes, weiss-männlich-nationalistisches Neumitglied zu empfehlen. Beim Ku-Klux-Klan ist man auch sofort Feuer und Flamme ob des sich so enthusiastisch ins Spiel bringenden Faschoneuzugangs. Auf den Klantreffen, auf denen Bierdosen geleert, hausfräuliche Fleischgerichte verzehrt werden, Billard gespielt, auf alle möglichen Gegenstände geballert und natürlich allerhand dummes Zeugs geredet wird, kann Ron – schliesslich ist er schwarz – nicht antanzen. An seiner Stelle marschiert deshalb sein jüdischer Kollege Flip auf die Stammtischgatherings der Nazideppen und säuft, sülzt, ballert und fleischverzehrt sich mit der Zeit bis in deren Chefetage hoch – bis hin zum Grand Wizard David Duke, von dem man sagt, er habe das Zeug zum Präsidenten, und der sein grosspolitisches Ziel auf vier besonders schlagende Begriffe bringt: «Make America great again!»

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Keine Frage, BlacKkKlansman ist nichts anderes als die filmisch gebündelte, kanalisierte und letztlich über das Genre und die Affektpoetik der Verwechslungskomödie umgeleitete Wut des schwarzen Amerikas über den sich momentan von neuem demaskierenden weiss-vorherrschaftlichen Rassismus. Die wütende Energie zeigt sich in den Steigerungsformen, mit denen Lee die KKK-Hanswürste in immer augenfälligere Verspottungen ihrer selbst hineintreibt. Einmal trifft sich diese scharfe Trottelisierung der Hütchenrassisten ganz besonders schön mit Lees bildpolitischer Agenda: Wir sehen die Klansmänner vor einer Leinwand sitzen. Mit Popcorntüten ausgerüstet, schauen sie sich D. W. Griffiths ultra-rassistischen Birth of a Nation an, der seinerzeit, 1915, die Neugründung des Ku-Klux-Klans massgeblich anstiess. Der Projektor wird zum Mobilisierungsapparat, der Durchlauf des Bildstreifens zum Aktivierungsgeschehen für den Menschenhass. Und während Lee die Nazis mitsamt ihren Bildreliquien in einen Keller sperrt, hat er genug Zeit, sich die Bilder der Geschichte neu auszulegen, teilweise zurückzuholen, teilweise umzuschreiben: die Bilder der Siebzigerjahre, die der Bürgerrechtbewegungen, die, wie wir sehen, nicht weiss, sondern schwarz und jüdisch sind und immer schon waren. Und auch die Bilder aus Charlottes­ville, die hier am Ende (mit gegenpropagandistischer Methode aus dem Trump’schen Schwitzgriff befreit) an einen Ort geschoben werden, wo sie bedeuten, was sie bedeuten.

Blackklansman regie

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 5/2018 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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