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Hustle szenen ov 01 josephine anne hathaway penny rebel wilson

The Hustle

Im Remake der Trickbetrügerkomödie Dirty Rotten Scoundrels werden die Hauptrollen nicht mehr von Männern, sondern von Frauen übernommen. Die allerdings leider nicht unbeschwert amoralisch sein dürfen. 

Text: Lukas Foerster / 10. Mai 2019

Lawrence Jamieson (Michael Caine) und Freddy Manson (Steve Martin) sind in Frank Oz’ modernem Komödienklassiker aus dem Jahr 198 die titelgebenden Dirty Rotten Scoundrels: Zwei Trickbetrüger, die mit elaborierten Täuschungsmanövern wohlhabende einsame Frauen wie Weihnachtsgänse ausnehmen. Beide verhalten sich gleichermassen amoralisch die Unterschiede zwischen ihnen beschränken sich auf Fragen des Stils: Wo Lawrence als upperclass-Gentlemanganove in stets perfekt sitzenden Anzügen durch die Welt gleitet, kultiviert Freddy eher den Typ windiger Gebrauchtwagenhändler.

In The Hustle, einem gendervertauschten Remake von Dirty Rotten Scoundrels, wird diese Unterscheidung nun ein weiteres Mal ausgespielt, und zwar noch einmal ein gutes Stück schematischer: Josephine (Anne Hathaway) tritt bei ihren millionenschweren Betrügereien nicht nur, wie einst Lawrence, posh und sophisticated auf, sie ist ausserdem schlank, brünett und zumindest dem Anschein nach zerbrechlich – eine Frau, für die “in Ohnmacht fallen” noch zum Vokabular der sozialen Alltagskommunikation gehört. Lonnie (Rebel Wilson) hingegen, die die Freddy-Rolle der proletarischen small-time-Halunkin übernimmt, ist eine füllige Blondine mit laut plärrender Stimme und einem Faible für “schreiende” Kleidung. Der Mangel an Dekorum ist Teil ihrer Masche: Wenn sie einem gut betuchten Herrn lauthals von ihrer todkranken Schwester oder Ähnlichem vorjammert, dann spekuliert sie darauf, dass nicht nur sein schlechtes Gewissen ihn zur Brieftasche greifen lässt, sondern dass auch die Peinlichkeit der Situation dazu führt, dass er sie ohne allzu grosse Unannehmlichkeiten wieder loswerden möchte.

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Kurz gesagt: Anders als Dirty Rotten Scoundrels betont The Hustle bei der Figurenzeichnung Äusserlichkeiten. Obwohl das Remake dem Handlungsbogen des älteren Films (der seinerseits auf dem Marlon-Brando-Vehikel Bedtime Stories aus dem Jahr 1964 basiert) recht eng folgt, verschiebt sich passend dazu auch insgesamt der Fokus: der Humor speist sich weniger aus den spielerischen Trickbetrügereien selbst, als aus Genderstereotypen. Genauer gesagt: aus zwei unterschiedlichen Sets von Genderstereotypen, die gegeneinander ausgespielt werden.

Wenn The Hustle deutlich weniger lustig ist als Dirty Rotten Scoundrels, dann hat das zum einen filmhandwerkliche Gründe: Wilson und Hathaway machen ihre Sache nicht schlecht, aber es hapert schlichtweg am Finetuning, bei Konstruktion und Timing von Pointen. Schmerzhaft deutlich wird das zum Beispiel, wenn Lonnie für einen ihrer Tricks Blindheit vortäuscht und Josephine sie als Simulantin überführen will – ein klassisches Standup für Slapstickhumor, das inszenatorisch komplett verstolpert wird. Zum anderen bremst sich der Film aber eben auch deshalb aus, weil er sich an starren und unbeweglichen Geschlechterszuschreibungen abarbeitet, anstatt sich wie die Vorlage fröhlich dem höheren Blödsinn zu widmen. Wenn Regisseur Chris Addison die Differenz zwischen der trampeligen Geniesserin Lonnie und der eleganten, aber in Lustfragen gehemmt anmutenden Josephine einmal etabliert hat, fällt ihm nichts besseres ein, als sie wieder und wieder in wenig originellen Variationen auszuspielen.

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The Hustle zeigt, und das macht den Film auf einer strukturellen Ebene doch wieder interessant, wie schwer das Kino sich mit der Idee einer amoralisch handelnden Frau tut. Während die männlichen Trickbetrüger in Dirty Rotten Scoundrels sich weitgehend unbeschwert austoben durften, ohne dass es – über Gier und die Freude am schönen Leben hinaus – grosser Rechtfertigungen für ihr Verhalten bedurft hätte (anders ausgedrückt: der Film ist genauso unangestrengt amoralisch wie seine Figuren), stellt sich bei ihren weiblichen Pendants andauernd die Frage: Was treibt die beiden Frauen eigentlich an, was ist die Quelle ihrer kriminellen Energie?

Interessanterweise hat nur Lonnie ein nachvollziehbares Motiv: Sie möchte sich an der Welt und vor allem an den Männern rächen - für die bestenfalls indifferenten, schlimmstenfalls mitleidigen Reaktionen auf ihre Annäherungsversuche und für die vielen grösseren und kleineren Demütigungen, die sie tagtäglich erdulden muss. Die emotionalen Nadelstiche, die sie einsteckt, übersetzt sie in emotionale Erpressungen, die letztlich auf exakt jene psychischen Mechanismen zielen, die die Quelle ihres Unglücks sind: Das Mitleid und die Indifferenz der Männer wird zu ihrem Geschäftsmodell.

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Analog dazu hat Lonnies Rachsucht allerdings auch Grenzen – und zwar dann, wenn sie auf Männer trifft, die sie tatsächlich lieben, wie sie ist (oder die ihr das zumindest glaubhaft vorzuspielen in der Lage sind). Was hingegen Josephine antreibt, bleibt offen, genauso wie die Frage, ob sie überhaupt Grenzen kennt. Die Trickbetrügerei ist ihr Beruf und fast schon einziger Lebensinhalt, dennoch begreift sie sie primär als ein intellektuelles Spiel, ihre emotionale Involviertheit beschränkt sich auf den Ehrgeiz, die Nummer Eins im Geschäft zu bleiben. Selbst ihre Sexualität scheint sie lediglich taktisch einzusetzen – eine mögliche unter den diversen Maskeraden des Begehrens (in einer der etwas besseren Passagen des Films schlüpft sie in die Rolle einer übergriffigen deutschen Psychiaterin) verborgene genuine lesbische Neigung bleibt Andeutung.

Noch einmal anders ausgedrückt ist Lonnies amoralisches Handeln eine Frage der Affektökonomie und damit, als authentischer Ausdruck ihrer beschädigten Innerlichkeit, doch wieder entschuldbar. Josephine wiederum verfügt gar nicht erst über einen stabilen Persönlichkeitskern. Die Trickbetrügerei ist für sie weniger Selbstzweck als ein Zweck ohne Selbst und entzieht sich dadurch der Unterscheidung moralisch/amoralisch komplett. Damit hat The Hustle die Devianzen gleich beider Protagonistinnen entschärft. Einen Film über zwei Frauen, die einfach nur gewissenlos und lebensfroh auf ihren Teil vom Kuchen bestehen, scheint Hollywood auch im Jahr 2019 noch nicht denkbar.

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