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Bumbaibird

Im Reich der Schatten und der Geister

Wir begleiten an dieser Stelle während fünf Tagen das FIFF, berichten von filmischen Überraschungen und Entdeckungen und erzählen die angeregtesten Diskussionen unter den Filmschaffenden weiter.

Text: Timo Posselt / 01. Apr. 2017

Angeregte Gespräche in der Schlange vor dem Kinosaal, besprochen werden die Enttäuschungen und Entdeckungen des ersten Festivaltags. Die Erwartungen sind gespannt auf den bevorstehenden Film. Die Türen öffnen sich, man tritt ein in den dunklen Raum, nimmt im weichen Sessel Platz. Die Gespräche sind jetzt nur noch ein gedämpftes Murmeln – das Licht geht aus.

«Gestern Abend war ich im Königreich der Schatten», schrieb 1896 der russische Schriftsteller Maxim Gorki nach seinem ersten Kinobesuch auf einem Jahrmarkt. Was Gorki in den frühesten Anfangsjahren des Kinos über die stummen Schwarzweiss-Filmen der Brüder Lumière in einem Artikel in einer russischen Zeitung schrieb, gilt auch hundert Jahre später noch fürs Kino. Auch als der Ton, die Farbe oder die computeranimierten Bilder dazu kamen, hat das Kino nichts von seiner Illusionsfähigkeit verloren. So schreibt die Filmwissenschaftlerin Natalie Böhler in der aktuellen Ausgabe von Filmbulletin in einem Essay zu Geistern im thailändischen Film: «Nicht zuletzt haftet dem Medium Film auch in seiner Erscheinung etwas Geisterähnliches an. Als ein Illusionsbild irrlichtert es über die Leinwand, materiell und immateriell zugleich, und ist so fragil, dass es beim kleinsten Lichteinfall verblasst.»

Das 31. Festival International de Films de Fribourg, das am Freitag feierlich eröffnet wurde, widmet der Geisterhaftigkeit des Kinos dieses Jahr eine ganze Reihe. In der Sektion «Gespenstergeschichten» sind neben Klassikern, aktuelle Geisterfilme unter anderem aus Indien, Laos, Kenya, Südkorea, Japan, Malaysia, Kanada und Mexiko zu sehen. So zeigt der iranische Regisseur Mani Haghighi seine «überbordende (Sinn-)Bilderflut» in [art:dragon-arrives:A Dragon Arrives]. Doch auch die Schweiz ist mit einer Koproduktion vertreten: In einer Welturaufführung gibt uns der Westschweizer Regisseur Kamal Musale in Bumbai Bird durch die Augen einer durch Mumbai geisternden Hauptfigur einen Einblick in die indische Gesellschaft. Dies ist nur eine der Sektionen neben dem internationalen Wettbewerb von Lang- und Kurzfilmen des 31. FIFF.

Filmbulletin wird an dieser Stelle während fünf Tagen das FIFF begleiten, von filmischen Überraschungen und Entdeckungen berichten, in einer Masterclass einem alten Meister über die Schulter blicken und die angeregtesten Diskussionen unter den Filmschaffenden weitererzählen.

Die Erwartungen sind gespannt, inzwischen ist das Murmeln im Saal verstummt – die ersten Bilder flackern über die Leinwand. Wir sind bereit für den Eintritt in das Königreich der Schatten.

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