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The Green Hornet

Text: Frank Arnold / 12. Jan. 2011

Vorbei die Zeiten, in denen die Studios ihre Tentpole-Filme in die Hände altgedienter Handwerker wie Richard Donner oder Joel Schumacher legten. Jetzt heissen die Regisseure Christopher Nolan oder Bryan Singer – oder gar Michel Gondry. Der Franzose, der zuerst mit seinen Musikvideos Aufmerksamkeit erregte, bevor er mit Human Nature und Eternal Sunshine of The Spotless Mind ins Spielfilmfach wechselte, bewies mit The Science of Sleep und Be Kind, Rewind seine Vorliebe für versponnene Basteleien. Könnte er die auch bei einem hochbudgetierten Studiofilm verwirklichen? Und ginge sie zusammen mit einem Drehbuch, das sich Hauptdarsteller Seth Rogen auf den Leib geschrieben hat?

Superheldenfilme sind in erster Linie ein Synonym für aufwendige Spezialeffekte, mag der Protagonist auch noch so selbstquälerisch sein. Insofern fällt The Green Hornet gleich doppelt aus dem Rahmen. Britt Reid ist ein spoiled brat, ein Grosskotz, dessen Leben nur aus Party besteht und der auch im Lauf der Geschichte kaum erwachsener wird, der das Medienimperium seines plötzlich verstorbenen Vaters eher als Chance begreift, sein Nichtstun auszudehnen. Wenn er in die Maske des vermeintlichen Verbrechers Green Hornet schlüpft, dann eigentlich weniger, um mit den wirklichen Verbrechern aufzuräumen, als vielmehr um seinen puerilen Spass zu haben. Das verändert zwangsläufig den Status seines Sidekick: Kato, der Chauffeur seines Vaters und gewiefter Erfinder, muss gewissermassen die Aufpasserrolle für Britt übernehmen, da dieser ohne ihn vollkommen aufgeschmissen wäre. Britt ist allerdings der letzte, der das zugeben würde. So entfaltet sich im Umgang der beiden eine durchaus gleichberechtigte Rivalität um Britts neue Sekretärin Lenore Case, wichtiger sind aber die Schlagabtausche zwischen den beiden Männern, die körperlichen, mehr noch aber die verbalen.

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Der nominale Superheld dieses Films ist also keine Lichtgestalt, weder moralisch noch intellektuell noch kräftemässig, da ist es nur konsequent, dass er auch das Mädchen nicht bekommt. Cameron Diaz fügt sich da, wie schon in früheren Filmen, ins Ensemble ein, setzt einige Kontrapunkte zu Britts Chauvinismus, unterstreicht aber auch den männerbündischen Charakter des Films. Das gilt auch für den Antagonisten: Benjamin Chudnofsky, Herrscher der Unterwelt von L. A., schwankt bei Auftritten zwischen Grössenwahn und öffentlich vorgetragenen Selbstzweifeln. Christoph Waltz verleiht dieser Figur Individualität.

Die Figuren des Films haben also Profil – das gleichwohl keines ist, das an die selbstzweiflerischen Protagonisten von Spiderman 3 oder The Dark Knight erinnert. Eher fühlt sich der Zuschauer in die frühen sechziger Jahre mit ihrer Aufbruchstimmung zurückversetzt. Das wird auch vom Design unterstrichen, der Vorliebe für schnelle und mit zahlreichen Gadgets ausgestattete Autos, die auch James Bond gefallen hätten. Nicht zuletzt entspricht das Visuelle in seiner Klarheit und Gradlinigkeit jener Epoche. Gondry setzt kleine Verzierungen mit bestimmten visuellen Effekten, etwa wenn sich Bildelemente in der Tiefe des Raumes vervielfältigen, ansonsten ist sein kreativer Umgang mit der 3D-Technik noch mit einem Fragezeichen zu versehen, denn an der nachträglichen 3D-Konvertierung wurde zum Zeitpunkt der ersten Vorführungen sechs Wochen vor dem weltweiten Kinostart noch gearbeitet. The Green Hornet ist ein Film mit mehreren Vätern, durchaus originell und keineswegs nur eine Hommage an die Sechziger – dafür ist das Ende des Schurken in seiner Drastik doch zu gegenwärtig.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 1/2011 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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