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Sharon Stone

In Basic Instinct (Paul Verhoeven, USA 1992) wird der Vamp in Gestalt von Sharon Stone ­zur postfeministischen Ikone und einer der stärksten Frauenfiguren seit der Ära des Film noir.

Text: Julia Marx / 12. Sep. 2016

Für die Rolle, die sie buchstäblich über Nacht zum Star machen sollte, war Sharon Stone nicht die erste und auch nicht die zweite Wahl, sondern, nach Absagen von Julia Roberts, Michelle Pfeiffer, Kim Basinger und anderen, so ungefähr die vierzehnte. Da war sie bereits 34 Jahre alt und, wie sie erzählt, nach einer Handvoll «Barbie-Rollen» in B-Filmen schon fast so weit, die Schauspielerei aufzugeben, mit der sie zwölf Jahre zuvor begonnen hatte, da alle meinten, sie sollte etwas aus ihrem guten Aussehen machen.

Mit der von Sharon Stone gespielten Figur der bi­sexuel­len Mordverdächtigen Catherine Tramell avancierte Basic Instinct 1992 zum Kulmina­tionspunkt jener Erotikthriller, mit denen Hollywood in den achtziger Jahren in Filmen wie Body Heat (1981), 9 1/2 Weeks (1986) oder Fatal Attraction (1987) der sexuell selbstbewussten Frau zu Leibe rückte, zwischen Faszination und Schrecken schwankend. Die Anfangsszene gibt bereits den Tarif durch: Zwei nackte Leiber in einem luxuriösen Schlafgemach, das erst von Lust-, dann Schmerzensschreien erfüllt wird, als die Frau, deren Gesicht hinter einem ­blonden Schopf verborgen bleibt, nach einem Eispickel langt und schwungvoll auf den unter ihr liegenden Mann einzustechen beginnt. Was folgt, ist ein Whodunit, in dem sich Michael Douglas als schuldbeladener Police Detective in ein Katz-und-Maus-Spiel mit der schönen, kühlen Hauptverdächtigen verstrickt, die exakt dieses Mordszenario vorgängig in einem ihrer Romane beschrieben hatte.

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Was von Paul Verhoevens Film haften bleibt, ist nicht der angeblich mit stattlichen 3 Millionen Dollar vergoldete Plot von Drehbuchautor Joe Eszter­has oder der vom Schauplatz San Francisco und Stones blondem Haarknoten signalisierte Verweis auf Hitchcocks Vertigo (1958). Es ist die Geburt von Sharon Stone als glamourösestem Star der neunziger Jahre und als Hollywoods «neue Sex-Göttin», wie die Boulevardpresse schrieb. Und natürlich ist es die Verhörszene mit der berühmtesten Einstellung des Films, obwohl sie weder wirklich handlungsrelevant noch ein dramaturgischer Höhepunkt war. Wie Tramell sich da mit lasziver Lässigkeit im Sessel räkelt und beim Übereinanderschlagen der Beine für einen Moment offenbart, dass sie für das Tragen von Unterwäsche genauso viel Missachtung übrig hat wie für die verdatterten Polizeibeamten im Raum, ging sofort ins Bildrepertoire der Filmgeschichte ein. Man kann diesen beaver shot, wie die Amerikaner das so drollig nennen, als Vorläufer all jener kurz berockten ­Promis sehen, die um Aufmerksamkeit heischen, indem sie sich von den Paparazzi beim Autoausstieg ohne Höschen erwischen lassen. Teil des Mythos um diese Szene ist die Tatsache, dass Stone zu ihrer Entstehung völlig widersprüchliche Darstellungen abgab, wonach sie entweder beim Dreh von Regisseur Verhoeven über seine tatsächlichen Absichten getäuscht worden sei oder aber das Ganze ihre eigene Idee war.

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So oder so, in Gestalt von Sharon Stone avancierte der Vamp zur Ikone des Postfeminismus. Immerhin hatten wir hier eine der stärksten Frauen­figuren seit den glorreichen Tagen des Film noir: Sexuell aggressiv, selbstbestimmt, reich, hedonistisch und intelligent, geht sie am Ende straflos als Siegerin vom Platz und degradiert dabei einen so potenten Star wie Michael Douglas zum Hampelmann. Zwar mangelte es nicht an Stimmen, die Catherine Tramell als Schreckgespenst männlicher Kastrationsängste und den Film wegen diverser queerer Figuren mit mörderischen Tendenzen als homophob verurteilten. Aber die andere Lesart war deutlich lustvoller: «Sie fährt einen roten Ferrari und tötet Männer – also ich nenne das ein positives Image», schrieb eine Kritikerin, und die stets provokante Camille Paglia war so angetan, dass sie Tramell als Göttin eines heidnischen Kults sah, in dem der schiere Anblick des weiblichen Genitals die Männer zerstören konnte.

Obwohl sich Sharon Stones Marktwert fortan massiv steigerte, verlief ihre weitere Karriere enttäuschend. Weder das Typecasting als Leinwanderotikerin in Thrillern wie Sliver (1993) konnte künstlerisch oder finanziell befriedigen noch Versuche eines Imagewandels wie die unglamouröse Rolle einer Todeskandidatin in Last Dance (1996). Während sie als unglückliche Edelprostituierte in Scorseses Casino (1995) noch eine Oscarnominierung erhielt, häuften sich danach zweitklassige Rollen, Flops und hämische Kritikerkommentare über ihre schauspielerischen Fähigkeiten. So wurde sie zum Phänomen eines Filmstars, dessen nach wie vor beachtliche Medienpräsenz sich aus Auftritten auf dem roten Teppich speist – statt aus Auftritten in Filmen.

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In einem Produktionssystem, das kaum grosse Filmrollen für Frauen über 40 zulässt, mit 47 eine sexuell attraktive Frau zu spielen, stellt eine Ausnahme dar, um nicht zu sagen eine Provokation. Darauf lassen die Reaktionen schliessen, die Basic Instinct 2 2006 hervorrief. Trotz schwachem Drehbuch und einem blassen Nobody als männlichem Widerpart gab Stone die Tramell mit ebenso viel Schmackes wie zuvor, und sie sah nicht schlechter aus dabei. Ähnlich wie Madonna, jene andere postfeministische Ikone, wurde sie daraufhin von jenem noch wenig untersuchten Phänomen eingeholt, das man als «Unwürdige-Greisinnen-Komplex» bezeichnen könnte: Er bewirkt eine reflexhafte Ablehnung von Zeichen der Sexyness in über 40-jährigen Frauen. Das typischste Symptom sind der Vorwurf, ein weiblicher Star könne nicht in Würde altern, und deren hämische Beschreibung («laszive Rüstigkeit»). Besonders anfällig für den Unwürdige-Greisinnen-Komplex sind Zeitungs-Stilberaterinnen und Klatschkolumnistinnen, wobei Französinnen immuner zu sein scheinen als andere.

Da hilft es, wenn man wie Sharon Stone einen ätzend-selbstironischen Humor hat, der den Verächtern gleich den Wind aus den Segeln nimmt. So schrieb sie etwa ein sehr lustiges Vorwort zu einem Buch namens «Bad Movies We Love». Ihr ist darin ein eigenes Kapitel gewidmet.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 6/2016 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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