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Kevine et Fortune
© Visions du Réel/Autre-Terre

Erst Gott, dann Fussball, dann Familie: Kevine et Fortune

Zwei junge Frauen widmen ihr Leben und ihre Leidenschaft dem Ballsport.

Text: Nina Kneubühler / 10. Apr. 2025
  • Regie, Buch

    Sarah Imsand

  • Kamera

    Sylvain Marco Froidevaux

  • Schnitt

    Olivia Frey

  • Mit

    Kevine Ossol, Fortune Mbitounou

Im Partnerinnen-Look mit pinken Kapuzenjacken sitzen die Freundinnen Kevine und Fortune, beide Anfang 20, flüsternd auf dem schwarzen Polstersofa im Haus in Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns. «Ich habe mich nicht für den Fussball entschieden, der Fussball hat sich für mich entschieden», erklärt Kevine, während ihre Augen immer wieder Richtung Himmel wandern. «Nach Gott kommt der Fussball: Gott, der Fussball und dann meine Familie».

Das Leben der Protagonistinnen spielt sich zwischen ihrem Zuhause und dem Fussballplatz ab, die Trainingseinheiten strukturieren den Tag. Ihr Ziel ist klar: einen Vertrag als Profifussballerin in einem europäischen Verein ergattern. Die Betrachter:innen werden durch ein Yaoundé geführt, das wirkt, als hätte man einen warmen orangen Filter darübergelegt.

Kevine et Fortune 1

© Visions du Réel/Autre-Terre

Einen Kontrast zum Alltag, den die Protagonistinnen leben, bilden die eingestreuten Aufnahmen von kochenden Frauen. «Der Platz einer Frau ist in der Küche, das ist ein afrikanisches Sprichwort», erläutert Kevine aus dem Off. Diesem Schicksal wollen die beiden entkommen. Wie viele Fussballerinnen musste auch Kevine grosse Opfer für diesen Traum bringen – ihre Familie unterstützt sie nicht auf ihrem Weg zur Profifussballerin. Fussball ist für sie jedoch mehr als ein blosses Berufsziel: «Sobald ich spiele, vergesse ich alles, ich werde mich selbst. Der Fussball kennt mich besser als alle anderen.» Kevine spielte in Kameruns erster Liga im Fussballclub Éclairs in Yaoundé und konnte sich einen befristeten Vertrag in Nantes sichern.

Entgegen der gewohnten Darstellung des Fussballs als Gegeneinander fungiert der Sport hier als verbindendes Element. Als hoffnungsspendende Kraft nimmt er eine essenzielle Rolle im Leben dieser jungen Frauen ein. Und nicht nur in ihrem Leben: «Ihr müsst uns aus dieser Misere befreien. Unsere Hoffnung liegt auf euren Schultern», erklärt Fortunes Vater, der auch Kevine adoptiert hat, gleich zu Beginn des Films. Die harte Arbeit, die Kevine und Fortune in die Trainings stecken, zeigt deutlich, dass die beiden Frauen, alles geben, um diese Erwartung zu erfüllen.

Kevine et Fortune 2

© Visions du Réel/Autre-Terre

Durch die Nähe der Kamera zu den beiden Protagonistinnen, das Filmen in ihrem Zuhause und die enge Begleitung ihres Alltags wird die tiefe Verbundenheit, die gegenseitige Unterstützung der Freundinnen spürbar. Auf die Frage, ob die beiden auch weibliche Fussballvorbilder haben, richtet Fortune ihren Blick auf Kevine: «Sie ist mein grösstes Vorbild». Letztlich ist es vielmehr die Geschichte zweier Freundinnen, deren Unterstützung und Bewunderung füreinander unvergleichlich ist – und die vielleicht beispielhaft für den Frauenfussball stehen könnte.

Kevine et Fortune wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts zu globalen Entwicklungsfragen realisiert, welches sich zwischen 2018 und 2023 mit der Situation des Frauenfussballs in Kamerun beschäftigte. Die Schweizer Filmemacherin Sarah Imsand begeisterte sich für das Projekt und wurde schliesslich für die Umsetzung einer filmischen Dokumentation beauftragt. Kevine et Fortune ist Imsands dritter Solo-Film.

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