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Love Made Easy

Tempo zählt kaum zu den Tugenden des Schweizer Kinos. Umso erstaunlicher, dass sich nun ausgerechnet ein Schweizer Filmemacher im rasantesten aller amerikanischen Filmgenres versucht: der Screwball Comedy.

Text: Johannes Binotto / 01. Sep. 2006

Tempo zählt kaum zu den Tugenden des Schweizer Kinos. Daran ändert sich auch nichts, wenn jüngst die hiesigen Filmemacher vom Blockbuster amerikanischen Zuschnitts träumen. Denn auch Hollywood scheint mit seinem momentanen Hang zur Überlänge eine seiner grössten Stärken, das ökonomische Erzählen, etwas verlernt zu haben.

Umso erstaunlicher, dass sich nun ausgerechnet ein Schweizer Filmemacher im rasantesten aller amerikanischen Filmgenres versucht: der Screwball Comedy. Eine wirklich treffende deutsche Übersetzung des Gattungnamens gibt es nicht. Wahrscheinlich darum, weil diese besonders schnelle Spielart der Komödie ohnehin kaum jemand je beherrscht hat als das klassische Hollywood.

Der Zürcher Regisseur Peter Luisi indes hatte bereits in seinem überbordenden Erstling Verflixt verliebt eine beeindruckend rasante Farce vorgelegt, und mit Love Made Easy ist er nun endgültig in amerikanischen Screwball-Gefilden angekommen. Und das ganz buchstäblich: Die Zürcher Filmstiftung hatte dem Regisseur bereits Geld zugesagt, das Bundesamt für Kultur hingegen versagte ihm die Unterstützung. Ein Filmschul-Kollege aus Kalifornien indes fand, der Film müsse trotzdem gemacht werden, stellte Kontakt mit einer Produktionsfirma in Los Angeles her, und so wurde aus dem gescheiterten Schweizer Film eine amerikanische Co-Produktion. Die Handlung wurde von der Zürcher Altstadt kurzerhand nach Kalifornien verlegt, die Darsteller kriegten amerikanische Verstärkung, und auch die Schweizer Schauspieler hatten Englisch zu sprechen.

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Doch auch in der grossen Traumfabrik erzählt Luisi nur von kleinen Träumen. Die fahrig geschnittenen und mit lärmender Musik unterlegten ersten Sekunden des Films – so träumt sich der Regie-Aspirant seinen eigenen Hollywoodstreifen. Bei Luisi wird solches Auftrumpfen sogleich bescheiden zurückgenommen. Nach Sonne, Strand und Clipästhetik tapst der Protagonist Gus ins Bild, wie er Abfall im Park zusammenliest. Soviel zum american way of life. Selbst im Land der angeblich unbegrenzten Möglichkeiten ist schon das einfachste Glück nur schwer zu haben: Gus verguckt sich am Obststand in die Stripperin Natalia, ohne zu wissen, wie sie heisst, wo sie wohnt, geschweige denn, dass sie schon ein Kind von einem eingebuchteten Gangster hat. Dass trotz solch schlechter Voraussetzungen der schüchterne Gus mit seiner Traumfrau zusammenkomme, dafür wollen indes seine Freunde sorgen. Diesem liebenswerten Haufen von Aussenseitern kommt es nämlich vor, als würden sie nicht nur Gus, sondern auch sich selbst zu ein wenig Glück im tristen Alltag verhelfen, und so kann es sie auch nicht schrecken, dass sie auf der Suche nach Natalia alsbald an einen gefährlichen Mafiaboss sowie einen eidgenössischen Geheimagenten geraten.

Peter Luisi ist – ob ihm selbst bewusst oder nicht – ein gelehriger Schüler Frank Capras. Mit diesem hat er die Vorliebe für die unscheinbaren Verlierer gemein, die er am Ende gross rauskommen lässt, und auch jene besondere Mixtur aus lustigem Unfug und zärtlichem Sentiment beherrscht er fast so gut wie der Meister. Und wie etwa die exzentrische Hausgemeinschaft in Capras You Can’t Take it With You, so sind es in Love Made Easy die schrägen Nebenfiguren, dank denen der Film so gut funktioniert: Eddie Mekka als melancholischer Museumswärter im Rollstuhl, der massige Frank Payne als stotternder Pokerspieler und schliesslich gar Oscar-Preisträger Martin Landau als schriller Mafioso (was sich zuweilen ausnimmt wie eine Neuauflage seiner Rolle als Bela Lugosi in Tim Burtons Ed Wood). Neben solch farbigen Kollaborateuren dürfen denn auch Melanie Winiger und Ralph Gassmann hübsch blass wirken, ganz wie es sich für ein Kinotraumpaar gehört.

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Aus dem ungewöhnlichen Umstand, dass die Schweizer Schauspieler in diesem Film Englisch parlieren, hat Luisi ebenfalls das Beste gemacht. Statt unfreiwillige ist gewollte Komik daraus geworden: So kriegt Ralph Gassmann als Gus von seiner cholerischen Mutter einmal ein Wallholz nachgeworfen mit dem Zusatz, er solle gefälligst seinen lächerlichen britischen Akzent loswerden, und Martin Rapold in der – per se schon sagenhaft absurden – Rolle eines Schweizer Undercoveragenten spricht mit schwerem helvetischem Tonfall. Auch darin hebt sich Love Made Easy wohltuend ab vom aktuellen Schweizer Popkino: Während die aufgesetzte Kraftsprache von Strähl über Snow White bis Grounding jeweils wirkt, als habe man versucht, die Dialoge amerikanischer Actionkracher ins Schweizerdeutsche zu übersetzen, klingt bei Luisi gerade umgekehrt das Amerikanische überaus schweizerisch. Und während in Achtung, fertig, Charlie bereits vor dem Happyend wilder Sex in der Kantine und auf einem Militärpanzer (!) praktiziert werden musste, beschränkt sich hier das explizit Frivole auf einen einzigen Kuss zum Schluss.

So ist Love Made Easy eine fast schon rührend altmodische Komödie geworden und gerade darum so lustig – hat sie doch von den alten Screwball Comedies deren wichtigste Lektion gelernt: Alles ist eine Frage des Tempos – des Tempos, in dem von einem Gag zum andern gesprungen wird, wie auch des Tempos, mit dem man über alle Löcher in der Story hinwegtänzelt.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 6/2006 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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