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Maria Bethânia – Música é perfume

«Musik ist wie ein Duft: unmittelbar, sinnlich. Im Bruchteil einer Sekunde lässt sie Bilder in dir aufsteigen, Gedanken, Gefühle, Erinnerungen.» Maria Bethânia, von der das Zitat stammt, ist eine der populärsten Sängerinnen Brasiliens und die Königin des Samba Canção – eines Samba-Stils, der sich mit der romantischen Ballade vermischt.

Text: Doris Senn / 01. Nov. 2005

«Musik ist wie ein Duft: unmittelbar, sinnlich. Im Bruchteil einer Sekunde lässt sie Bilder in dir aufsteigen, Gedanken, Gefühle, Erinnerungen.» Maria Bethânia, von der das Zitat stammt, ist eine der populärsten Sängerinnen Brasiliens und die Königin des Samba Canção – eines Samba-Stils, der sich mit der romantischen Ballade vermischt. Der Film des Franko-Schweizers Georges Gachot (der unter anderem Martha Argerich, conversation nocturne, 2002, sowie verschiedene Filme über Beatocello und sein Kantha-Bopha-Spital drehte) zeigt die charismatische Musikerin im kleinen Kreis ihrer Mitarbeiter im Aufnahmestudio, aber auch auf der grossen Bühne vor Tausenden von Fans, die bei ihren Konzerten wie ein riesiger Chor ihre Lieder auswendig mitsingen.

Maria Bethânia, 1946 geboren, kann bereits auf eine rund vierzigjährige Karriere zurückblicken. Musik ist ihr Leben – und dies steht auch im Zentrum des Films: Georges Gachot, der von Haus aus Musikwissenschaftler ist, zeichnet mit Maria Bethânia das Porträt einer Persönlichkeit und ihrer künstlerischen Berufung. Dafür steht schon ihre Namensgebung: Ihr vier Jahre älterer Bruder, Caetano Veloso – selbst ein international renommierter Musiker –, erwählte den Namen bei ihrer Geburt nach einer populären Ballade, obwohl der Vater sich vorerst dagegen sträubte, weil er nicht wollte, dass der Name seiner Tochter «in den Strassen gesungen würde».

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Nun ist ihr Name doch in aller Munde – und ihre Lieder dazu. Dabei wollte man sie als Kind nicht einmal im Chor singen lassen, weil man ihre Stimme als zu tief, ja als «hässlich» empfand, wie ihre Mutter erzählt. So wandte Maria Bethânia sich vorerst dem Theater zu – wobei ihre mimische Ausdruckskraft auch heute noch Zeugnis ablegt von ihren expressiven Fähigkeiten: Mit dramatischer Innigkeit “verkörpert” sie ihre Balladen, die vor allem von der Liebe handeln und in denen «coraçao», portugiesisch für «Herz», unzählige Male im selben Stück vorkommt, wie Maria Bethânia schmunzelnd eingesteht. Die Künstlerin ist von faszinierend androgyner Erscheinung und verfügt über eine grosse Ausstrahlung, die der Film überzeugend einzufangen vermag. Wie eine andere grosse brasilianische Sängerin, Nana Caymmi – mit der sie kurz nach einem seltenen gemeinsamen Auftritt zu sehen ist –, fühlt sich auch Maria Bethânia als Kind der Geschichte Brasiliens und dessen kulturellen Schmelztiegels, die für ihr Schaffen Nährboden und Inspiration zugleich sind.

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Die Aufnahmen von der Sängerin, die sie als ebenso sanfte wie resolute Persönlichkeit zeigen, werden ergänzt durch die atmosphärischen Bilder von Land und Leuten Brasiliens. Der Kameramann Matthias Kälin bevorzugte gedämpfte Stimmungen: der Strand von Rio im nebligen Dunst, die weisse Gischt der Wellen im schwarzen Meer, die orangen Lichtflecke der Lampen, Silhouetten spielender Kinder im Schatten des Baums – passend zur sprichwörtlich brasilianischen «saudade», in der Sehnsucht, Liebe und Schmerz gleichermassen ihren Ausdruck finden und die entsprechend auch Bethânias Balladen prägen. Dazwischen fügen sich kleine, anekdotenhafte Alltagsimpressionen, die von verspielter Gelassenheit, aber auch von feierlicher Ritualität erzählen. Etwa das eindrückliche Fest in Bethânias Heimatort, Santo Amaro da Purificaçao bei Bahia, in dem sich dunkelhäutige Matronen in ihren weissen Spitzenkleidern und Kopftüchern mit Fackeln und Kerzen durch die Gassen Richtung Kirche drängen – eindrückliche Bilder, die einen in eine andere Zeit zu versetzen scheinen. Diese bürgen mit dafür, dass Maria Bethânia nicht nur eine Reihe aussergewöhnlicher Musikerlebnisse bietet, sondern auch eine äusserst stimmige Annäherung an diesen grossen Star der brasilianischen Musik.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 8/2005 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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