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Namibia Crossings

Unterwegs-Sein. Fremden und Fremdem begegnen. Pittoreske Landschaften entdecken. Musik und Geräusche. Dazu: schnurrige Gedanken. Oft assoziativ, manchmal erklärend, immer geprägt von der ureigenen Weltbetrachtungsweise des Regisseurs: Das sind die Filme von Peter Liechti.

Text: Irene Genhart / 01. Sep. 2004

Unterwegs-Sein. Fremden und Fremdem begegnen. Pittoreske Landschaften entdecken. Musik und Geräusche. Dazu: schnurrige Gedanken. Oft assoziativ, manchmal erklärend, immer geprägt von der ureigenen Weltbetrachtungsweise des Regisseurs: Das sind die Filme von Peter Liechti. Die wichtigsten: Hans im Glück, 2003; Signers Koffer, 1996; Kick that Habit, 1989, – ein Spielfilm: Marthas Garten, 1997. Und nun: Namibia Crossings. Gefilmt im Spätsommer 2001 in Namibia, fertiggestellt im Frühjahr 2004 in der Schweiz.

Das Gerüst: ein Weltmusik-Projekt; im Spätsommer 2001 begibt sich die «Hambana Sound Company», deren Mitglieder aus Angola, Namibia, Russland, der Schweiz und Simbabwe stammen, in Namibia auf Konzerttournee. Gespielt wird eine Fusion von westlichen und afrikanischen Sounds. Ziel des auf sechs Wochen angelegten Unterfangens ist, die musikalische Herkunft abzustreifen und in der Begegnung mit lokalen Musikern zu den Wurzeln der Musik zu finden. Liechti begleitet das Experiment mit Kamera und Mikrofon und erstellt, als Erzähler figurierend, eine Art filmisches Tagebuch. Nach knapp zwei Wochen gemeinsamer Proben und einem ersten Konzert in Namibias Hauptstadt Windhoek begibt man sich auf Reise: Bis hierher klingt alles, was die «Hambana Sound Company» spielt, nach ausgefeilter Weltmusik, und Namibia Crossings scheint auf der von Wim Wenders 1999 mit Buena Vista Social Club ausgelösten Weltmusik-Film-Welle zu surfen.

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Doch Liechti ist kein Zeitgeistreiter. Er bricht das Genre, verändert den Fokus. Nimmt die Tournee als Vorwand, um in die Landschaften, Farben, Töne und Klänge von ehemals Südwestafrika einzutauchen; einen Blick zu werfen auf den jungen, über weite Strecken sandigen Staat, in dem Kolonisation und Apartheid leuchtende Narben hinterliessen, Städte deutsche Namen tragen, Aids ganze Generationen auslöschte, Elefanten würdevoll ihrer Wege ziehen und die Menschen der allgegenwärtigen Armut mit ansteckender Lebensfreude trotzen. Als zunehmend utopisch entpuppt sich das geplante Projekt: Der scheinbar gemeinsame Traum wird getragen von unterschiedlichsten, persönlichen Motivationen: Die Schweizer suchen neue Impulse für ihre Musik. Der deutschstämmige Namibier Bernhard Göttert will seiner Heimat etwas zu gute tun. Alle andern suchen (bloss) einen guten Job. Also wird Namibia Crossings zum Protokoll eines Schiffbruchs – und ist dabei der vielleicht ehrlichste Film, der über Fusion- und Weltmusik je gedreht wurde. Denn er zeigt, wo Grenzen liegen. Wo sich trotz guten Willens am Rande der Wüste einige Buschtrommeln dezidiert dagegenstemmen, mit einem Schweizer Akkordeon gemeinsame Sache zu machen.

So ist Namibia Crossings denn ein eigentliches Soundgedicht, in dem aus dem Miteinander immer mehr ein Nebeneinander wird. Es löst sich aus dem Trommeln der Afrikaner ein schwarzer Käfer, der taktgleich über die Strasse beinelt. Auf den höchsten Sanddünen der Welt singt Ermelinda einen Heimwehsong. Jacky rapt, und die Kids von Marienthal finden die lokale Band einiges grooviger als die «Hambana Sound Company». Am Schluss machen ein paar Nichtafrikaner einen Trip zur «Geisterstadt» Kolmannskuppe. Der Schweizer Hans entlockt im Türrahmen eines halb mit Sand gefüllten Hauses dem Akkordeon einige Töne, die sich in der windigen Stille der Wüste verlieren. Da ist Liechti dann angekommen bei den Wurzeln der Musik: in der absoluten Stille. Und wenn er sagt: «Vielleicht ist Wehmut das deutsche Wort für Blues», geht kurz ein Engel durch den Kinosaal: So schöne simple wahre Sätze, wie sie Peter Liechti macht, trifft man – nicht nur im Kino – selten.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 6/2004 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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