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Tandoori love 05

Tandoori Love

Text: Geri Krebs / 01. Dez. 2008

Am Anfang stehen Grossaufnahmen einer traditionellen Metzgete in einem Berner Oberländer Gasthof, gegengeschnitten mit Bildern einer prachtvoll verzierten Papaya; es folgt ein «more tears» brüllender Bollywood-Regisseur beim Dreh im Berner Oberland. Damit steckt Oliver Paulus geschickt die beiden Welten ab, die in Tandoori Love aufeinanderprallen. Der Filmtitel bezieht sich auf eine Gewürzmischung, die oft auch als roter Curry bezeichnet wird, wobei die Spannung der Geschichte in der Tatsache liegt, dass der Film – mit Ausnahme der Schlussszene – ganz im behäbigen Berner Oberland angesiedelt ist. Hier lebt glücklich und zufrieden der junge «Hirschen»-Wirt Markus mit seiner Freundin Sonja, die im Gasthof serviert, derweil über dem Dorf, vor prächtiger Alpenkulisse, ein indisches Filmteam an der Arbeit ist. Beim Einkauf in der Migros erblickt Rajah, der Koch des Filmteams, Sonja und ist ihr augenblicklich verfallen. Den nichtsahnenden Markus kann Rajah mit einem Trick dazu bringen, ihn als Koch anzustellen, um so der – anfänglich sich zierenden – Sonja immer nahe zu sein.

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Mit diesen kräftig kitschigen Ingredienzen brauen Regisseur und Drehbuchautor Oliver Paulus und sein Co-Drehbuchautor Stefan Hillebrand eine Culture-Clash-Komödie zusammen, die mit Elementen des – neuen – Schweizer Heimatfilms und romantischen Bollywood-Komödien spielt. Die Absicht ist reizvoll, doch das Resultat ist ziemlich bieder. Vom Spielwitz, der Überdrehtheit sowie dem Mut zu Trash und Klamauk, die 2003 Oliver Paulus’ Spielfilmdebüt wenn der richtige kommt zum reinen Genuss machten, davon ist in Tandoori Love leider wenig vorhanden. Oliver Paulus und Stefan Hillebrand haben Ecken und Kanten abgeschliffen zugunsten eines massentauglichen neuen Heimatfilms in der Tradition von Die Herbstzeitlosen. Auch rennt Tandoori Love offene Türen ein, insofern, als in den letzten zehn, fünfzehn Jahren landauf, landab ja nicht gerade wenige «Hirschen», «Bären», «Adler» oder «Leuen» in mediterrane, orientalische, lateinamerikanische oder eben fernöstliche Spezialitätenrestaurants umfunktioniert wurden. Man kann sich also fragen, wie unzeitgemäss und brav ein Film ist, der eine ohnehin stattfindende Entwicklung gesellschaftlichen Wandels lediglich abbildet und mit ein paar exotischen Farbtupfern – Bollywood nachempfundenen Tanzszenen – optisch und akustisch aufpeppt.

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Mit Johanna Bantzer, Max Rüdlinger, Gilles Tschudi und Stefanie Glaser in Nebenrollen sind auf Schweizer Seite Wiedererkennungseffekte gewiss, während mit Vijay Raaz als Rajah ein international bekannter Schauspieler gewonnen werden konnte, der bereits mit Mira Nair gearbeitet hat. Demgegenüber sind die beiden Protagonisten Martin Schick und Lavinia Wilson vergleichsweise unbekannte Gesichter. Nicht ganz nachvollziehbar ist, warum ausgerechnet eine Deutsche, Lavinia Wilson, das Bärner Meitschi – mit problematischer Nachsynchronisation – zu mimen hat. Und bisweilen scheint darunter die ganze Geschichte zu leiden, denn die Dialoge erscheinen in einigen Szenen so ungelenk, als seien sie direkt dem Positionspapier eines kantonalen Integrationsbüros oder der Broschüre einer Beratungsstelle für binationale Paare entlehnt. Das ist schade, denn visuell bietet Tandoori Love einiges. Oliver Paulus ist ein Gourmet und begeisterter Hobby-Koch, was man dem Film in jenen Momenten, da Essenszubereitung als geradezu sakraler Akt zelebriert wird, anmerkt. Die österreichische Kamerafrau Daniela Knapp, die schon in Paulus’ letztem Film mit von der Partie war, zeigt mit berückend schönen Detailaufnahmen von erlesenen Speisen ihr ganzes Können.

Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 9/2008 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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