In Owens Apartment spukt der Geist des 20. Jahrhunderts: Eine Neonröhren-Werbung blinkt durchs Fenster hinein, eine Rohrpost-Station wartet still auf den nächsten Zylinder, ein Röhrenfernseher raunt im Hintergrund das Mantra eines Therapeuten: «The voices aren’t real.» Auf engstem Raum vermischen sich Artefakte alter Dekaden zu einem Gesamtbild, das keinen Sinn ergibt. In Owens Kopf sieht es, wie wir bald erfahren, nicht anders aus. Für den 73. Durchlauf einer klinischen Studie für experimentelle Psychopharmaka, die eine Firma namens Neberdine durchführt, ist er damit als Proband bestens geeignet. Japanische und amerikanische Kittelträger*innen wollen mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz und halluzinogener Drogen eine Zukunftsperspektive für Owen und die anderen psychisch kranken Teilnehmenden finden. Doch in den drei computergesteuerten Drogentrips, die das Herzstück von Cary Joji Fukunagas und Patrick Somervilles Miniserie Maniac (2018) bilden, verheddert sich Owens Verstand nur noch weiter in der Vergangenheit. Visionen aus den Achtziger- und Vierzigerjahren, Traum- und Parallelrealitäten sickern immer wieder in sein Unterbewusstsein ein. Die dazugehörige Diagnose spuckt der Computer ein paar Folgen später aus: paranoide Schizophrenie.

Technische Wiederbelebungen
Das Bewusstsein Owens, in dem sich die kulturellen Formen der Vergangenheit zu einer lähmenden Simul- tanität verkeilt haben, steht emblematisch für die schizophrenen Neigungen, die der bedeutsame Kultur- theoretiker Fredric Jameson der Postmoderne bereits in den Achtzigerjahren attestierte. Während der technologische Fortschritt sich auch 40 Jahre nach Jamesons Diagnose weiter beschleunigt, bringt er kaum neue ästhetische Formen hervor. Vielmehr erscheint die von ihm vorhergesagte Hinwendung zu Pastiche und formaler Nostalgie heute nur noch sichtbarer als damals.

Die Zukunft ist retro und damit so pathologisch zerrissen wie der in einer Welt aus Werbung, Kitsch und Artefakten alter Dekaden und persönlichen Traumata eingeklemmte Owen. Die Technik taugt hier primär als Poliermaschine für Neuauflagen alter Ästhetik. Ein Phänomen, das heute nicht nur in Blockbustern wie Ready Player One (Steven Spielberg, 2018) auftaucht, sondern sich auch in den grossen Science-Fiction-Franchises kanonisiert hat. Star Wars behält auch in seinem Fortleben als Disney-Eigentum seine ge- wohnten Plots, seine Dramaturgie und seine Ästhetik. Blade Runner 2049 (Denis Villeneuve, 2017) recycelt den Look, die Topoi und die Synthesizer-Klänge seines (ebenfalls fast 40 Jahre alten) Vorgängers. An die Stelle der ästhetischen Erneuerung durch technische Innovation tritt die technische Wiederbelebung der ästhetischen Vergangenheit. Das Phänomen ist – wie gesagt – nicht neu.
Der vollständige Artikel gibt es in der Nr. 1/21 nachzulesen.
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