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Same Same but Different

Text: Michael Ranze / 13. Jan. 2010

Same Same but Different – schon der Titel des neuen Films von Detlev Buck lenkt den Zuschauer vom Eigentlichen ab. Nicht nur, weil die Aussage im gesamten Film gar nicht vorkommt. Der Titel weist überdeutlich daraufhin, dass hier etwas so sein soll wie immer. Doch der Blick aus einer anderen Perspektive, mit anderem kulturellem Hintergrund, führt zu Unschärfen und Verschiebungen. Zugleich schlägt der Film eine Brücke zu den Anfängen des Regisseurs, der hier im Vorspann nur noch «Buck» heisst, wie ein Stempel, der Unverwechselbarkeit signalisiert, wie ein Siegel, das für Qualität bürgt. Wir können auch anders heisst Bucks eigenwillige Komödie von 1993, die schon die Bereitschaft zu Wandel und Differenzierung im Titel trug. Seitdem hat auch Buck sich verändert und ist trotzdem derselbe geblieben. Schon mit Knallhart, einem wuchtigen, realistischen Drama, deutete sich 2006 eine Neuorientierung des Regisseurs an. Weg von den komischen Anfängen wie Karniggels, hin zu genauer Beschreibung des Milieus und authentischen Gefühlswelten. Doch humorvolle und lakonische Vignetten prägen auch Bucks Dramen.

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Der neue Film von Detlev Buck beruht auf einer wahren Geschichte. 2003 hatte der damals dreiundzwanzigjährige deutsche Nachwuchsjournalist Benjamin Prüfer bei einem Rucksackurlaub in Asien eine HIV-positive Kambodschanerin kennen und liebengelernt. Seine Erfahrung verarbeitet er drei Jahre später zunächst zu einer preisgekrönten Reportage im Magazin «Neon», später entstand sogar ein Buch: «Wohin du auch gehst». Der positive Ausgang – beide haben geheiratet und leben mit zwei gemeinsamen Kindern in Phnom Penh – ist also bekannt. Darum beginnt der Film unvermittelt mittendrin. Via Webcam teilt die junge Kambodschanerin Sreykeo von Phnom Penh aus Benjamin, der in Hamburg lebt, mit, dass sie HIV-positiv ist. Voller Angst, sich angesteckt zu haben, eilt der Junge zum nächsten Arzt, um einen Aids-Test zu machen. Das Ergebnis ist negativ. Doch wie soll sich Ben seiner Verantwortung stellen? David Kross, den Buck für Knallhart entdeckte und der mit The Reader auch international Karriere machte, überzeugt durch seine Bandbreite aus Naivität, Unerfahrenheit und Ratlosigkeit, die später um Ernsthaftigkeit, Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein erweitert wird. Und nun blendet der Film zurück, zurück in eine unbeschwertere Zeit. Die Schule vorbei, die Zukunft vor sich, aber keine Idee, wie es weitergehen soll. Darum reist Ben mit seinem Freund Ed erst einmal nach Asien. Für Buck immer wieder Anlass, komische Zwischenspiele einzustreuen, die Ignoranz und Überheblichkeit der Rucksacktouristen im Umgang mit einer fremden Kultur belegen.

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Bei einer wilden Party in Phnom Penh lernt Ben Sreykeo kennen. Für 30 Dollar verbringt sie die Nacht mit ihm. Buck und seine Drehbuchautorin Ruth Thoma erliegen nicht der Versuchung, Sreykeo als exotische Schönheit zu zeichnen, der Ben schwärmerisch erliegt. Apinya Sakuljaroensuk spielt sie als natürliches, fröhliches und offenes Mädchen, das zu einer pragmatischen Lebenstüchtigkeit gezwungen ist. Mit dem Geld, das sie als Gelegenheitsprostituierte verdient, muss sie schlicht und einfach ihre Familie ernähren. Das ist die Realität in Kambodscha. Sreykeo macht Ben von Beginn an nichts vor: Sie hat sich in ihn verliebt, doch zur Beziehung, die im Alltag Bestand haben soll, gehört finanzielle Verantwortung. Hier ein Geldschein, dort eine Einladung – Ben fühlt sich als “reicher” Europäer ausgenutzt. Ob sie ihn wirklich liebt? Zurück in Hamburg beginnt er ein Praktikum in einem Verlag. Doch Sreykeo geht ihm nicht aus dem Kopf. Als er von ihrer Aids-Erkrankung erfährt, fliegt er wieder nach Kambodscha, um ihr zu helfen.

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Von nun an konzentriert sich Buck nüchtern auf die realistische Beschreibung des Alltags in Kambodscha, auf die Bemühungen Bens, die richtigen Ärzte und die beste Medizin zu finden. Dabei vermeidet der Regisseur jeglichen Kitsch oder Betroffenheit. Die Dinge sind, wie sie sind, und müssen darum so gezeigt werden. «A journey from the heart of darkness to the heart of lightness» ist die Synopsis des Pressehefts überschrieben. Doch die Hommage an Joseph Conrad oder Francis Ford Coppolas Apocalypse Now ist bloss nachlässige Koketerie und führt auf die falsche Fährte. Buck geht es nicht um die Abgründe der menschlichen Seele. Er wollte eine überlebensgrosse Liebesgeschichte inszenieren. Hier soll sich eine Liebe – vielleicht sogar im Sinn eines Frank Borzage – über alle Hindernisse und Kontinente bewähren, doch Buck unterspielt den romantischen Aspekt seines Films. Die Gefühle kochen auf Sparflamme, was die Charaktere wirklich füreinander empfinden, bleibt vage. Die materiellen Umstände und der andere Umgang der Asiaten mit körperlicher Nähe, besonders in der Öffentlichkeit, bestimmen das Miteinander. Ein unsentimentaler Ansatz, der Bucks Verständnis von Realismus folgt. Doch als Zuschauer bleibt man seltsam unberührt.

Same Same but Different ist fast völlig aus der Sicht Benjamins erzählt. Mit ihm kehrt der Film immer wieder nach Hamburg zurück, wo Buck sich über Eitelkeiten und Karrieredenken auf den Redaktionsfluren lustig macht. Szenen, die den Culture Clash zwischen Kambodscha und Deutschland unterstreichen sollen. Doch die karikaturhaften Denunzierungen wirken nur unpassend-neckisch und hintertreiben die Glaubwürdigkeit des Films. Vielleicht sollen sie aber auch darauf hindeuten, dass Buck zu seinen Wurzeln als Komödienregisseur steht. Same Same but Different – Buck ist immer noch derselbe. Auch wenn er Dramen inszeniert

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 1/2010 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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