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Subito. Das Sofortbild

Peter Volkart entführt uns mit seinem virtuos-verspielten Dokumentarfilm in die fantastische Welt des Sofortsbilds, von gewagten Erfindungen und lebendiger Kunst – und steckt uns mit Nostalgie fürs Einmalige und Unkontrollierbare an.

Text: Tereza Fischer / 09. Okt. 2018

Der Titel von Peter Volkarts letztem Kurzfilm Subotika (2015) tönt nicht nur erstaunlich ähnlich wie der seines nun ersten Langfilms Subito, auch entführen uns beide Filme dank Volkarts ganz eigenem Stil in fantastische Welten. In Subotika hatte der Schweizer Filmemacher und Designer einen fiktionalen Werbefilm gestaltet. Darin ist diese fantastische Welt ein nicht existierendes Land, ein Hirngespinst, das stark an einen heruntergewirtschafteten kommunistischen Staat erinnert. Durch die absurd-fröhliche Werbeoberfläche scheint die Kritik an einer nicht allzu fernen Wirklichkeit hindurch. Mit Subito wagt sich Volkart an den Dokumentarfilm und erzählt die Geschichte des genialen Tüftlers Edwin Land und seiner Erfindung der Sofortbildkamera. Und er tut dies auf eine ebenso fantastische und pointierte Weise wie in seinen Kurzfiktionen. Dazu kombiniert er Archivmaterial, Werbefilme, Lehrfilme, Homemovies, animiert Fotografien, lässt Schriftzüge ins und aus dem Bild sausen und vertont das Amalgam mit lebendigen Soundeffekten und beschwingten Songs aus der guten alten Zeit. Das Statische fügt sich mit dem Bewegten in ein organisches Ganzes – auch wenn die dann doch auffällig konventionell gefilmten Interviews dadurch etwas aus der Reihe tanzen.

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Der ideenreiche Amerikaner Edwin Land, der in seinem Leben fünfhundert Patente anmeldete, darunter auch den Polarisationsfilter, hatte bereits 1947 die Idee für ein in die Kamera respektive in das Fotomaterial eingebautes Minilabor. Das Foto, das sich selbst innert Minuten entwickelt, war ein Soforterfolg, der erst mit der Digitalisierung eine Konkurrenz in Sachen Schnelligkeit bekam. Volkart zeichnet den sensationellen Aufstieg der Polaroidkamera nach, lässt den Fotografen Payram über dessen feine Grauabstufungen schwärmen und die Möglichkeit, sich den Menschen besser nähern zu können. Von der Magie des vor unseren Augen entstehenden Bildes sind alle fasziniert. Vor allem aber preisen Kurator_innen, Fotograf_innen und Künstler_innen die Spontaneität und die Einzigartigkeit des einzelnen Polaroidbildes.

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Heute gerät man auch als Normalsterbliche_r in nostalgische Wallungen ob dieser Eigenschaften. Gerade, so betont der Kulturphilosoph Gerhard Johann Lischka, angesichts des Zugemülltwerdens mit digitalen Dutzendbildern. Gelobt wird das Zufällige, aber auch das Materielle, denn in die Emulsion kann man zusätzlich eingreifen und das Bild nach dem Entstehen in der Kamera nochmals durch manuelle Eingriffe verändern. Doch so sehr sich die Kunstgemeinde auch für dieses nicht ganz günstige Sofortbild begeisterte, die Normalbürger_innen griffen bereitwillig zur Digitalkamera. Als Folge des schwindenden Kaufinteresses schloss die letzte europäische Polaroidfabrik im holländischen Enschede seine Produktion 2008.

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Doch «Totgesagte leben länger», wie Volkart den letzten Teil von Subito betitelt. Florian Kaps, Wiener Biologe und Liebhaber alles Analogen, hat mit seiner Firma The Impossible Project das Sofortbild wiederbelebt, mit neuen Filmen und Kameras. Er übernahm mit anderen Afficionados die Fabrik in Enschede und produzierte weiter. Das grenzt beinahe an ein Wunder, so zumindest feiert das Narrativ in Subito die Wiedergeburt dieser Fotografie, die «einem lebenden Ding ähnlich ist». Die Freude darüber und die Nostalgie, die Volkart mit seinem kurzweiligen, informativen und verspielten Dokumentarfilm in uns entfacht, würde jedes Werbeteam vor Neid erblassen lassen, so gross ist die Lust, sofort nach dem Kinobesuch in den nächsten Laden zu rennen und eine Polaroidkamera zu erstehen.

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Ich muss zugeben, dass ich während der Vorführung so sehr von dieser ganzen Lebendigkeit gefangen war, dass ich kaum aus dem Staunen kam, dass Volkart auch den digital gefilmten Interviews etwas Unberechenbares hinzugefügt hat. Ich freute mich über einen Effekt, bei dem Grün und Rot im Bild ausscheren und neben den Objekten farbige Schatten hinterlassen. Am faszinierendsten war das Rot der Lippen von Kuratorin Rebekka Reuter, das plötzlich neben ihrem Mund herumhüpfte. Wie hat er das gemacht? Beim Überprüfen anhand eines Onlinescreeners musste ich beinahe enttäuscht feststellen, dass es ein Fehler in der Kinoprojektion war, Volkarts Interviews sind fehlerfrei. Aber da soll noch einer sagen, die digitale Technik könne keine einmaligen Effekte hervorbringen.

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