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In a better world 01

In a Better World (Haeven)

Susanne Bier konfrontiert uns in ihrem neuesten Film mit einer solchen Fülle von Verletztheiten und Untaten, dass wir geschafft im Kinosessel hängen und die gezeigten Läuterungen und Strafen kaum mehr eine Auseinandersetzung evozieren können. Der Abspann wirkt wie ein Bild gewordenes schlechtes Gewissen der Regisseurin.

Text: Erwin Schaar / 13. Apr. 2011

Wenn wir alle gute Menschen wären, welches Leben würden wir durchmessen? Wir würden uns im Paradies befinden! Noch nicht vertrieben in die Existenz eines Daseins, das zum Tode führt. Und da dieser unvorstellbare Zustand nicht existiert, sind wir gezwungen, mit unseren Unzulänglichkeiten und bösen Taten zu Rande zu kommen.

Susanne Bier konfrontiert uns in ihrem neuesten, mit dem Oscar 2011 ausgezeichneten Film mit einer solchen Fülle von Verletztheiten und Untaten, dass wir geschafft im Kinosessel hängen und die gezeigten Läuterungen und Strafen kaum mehr eine Auseinandersetzung evozieren können. Der Abspann mit diffizilen Aufnahmen aus der “Wunderwelt” der Natur wirkt wie ein Bild gewordenes schlechtes Gewissen der Regisseurin, und Johan Søderqvists Musikteppich steigert das Unerträgliche.

Kontinente umspannend werden Handlungsstränge konstruiert. Da ist einmal der Arzt Anton, der in einem afrikanischen Flüchtlings-Camp (Südsudan?, Kenia?) unter freiem Himmel Operationen vollführt und mit einem Monster konfrontiert wird, dessen Lebensziel darin zu bestehen scheint, mit seinen gewalttätigen Genossen jungen meist schwangeren Frauen den Leib aufzuschlitzen. Diesem «Big Man» genannten Ungeheuer verweigert er zwar nicht die medizinische Hilfe, als sich der aber abfällig über die grausam Malträtierten äussert, überlässt er ihn dem Zorn der Camp-Bewohner. Anton lebt in Scheidung mit Marianne, die in einer dänischen Kleinstadt als Ärztin arbeitet. Ihr Ältester, Elias, wird in der Schule ständig gedemütigt von dem bösen Sofus, der als Anführer einer Anzahl von Mitläufern agiert.

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Marianne muss sich mit den naiven Lehrern auseinandersetzen, die die Quälereien herunterspielen.

Die andere jugendliche Hauptfigur ist Christian. Er hat gerade seine Mutter, die sehr am Krebs gelitten hat, verloren, was ihn seinem Vater entfremdet. Mit ihm zieht er zur Grossmutter auf ihr Gut in der Nähe des Wohnorts von Elias. In der Schule muss er die Verspottungen von Elias miterleben und rächt sich an Sofus, bedroht ihn mit einem Messer, was die Polizei auf den Plan ruft.

Christian und Elias werden Freunde und erleben, wie Anton, auf Heimaturlaub, einen Zwist von Kindern löst und dabei vom Vater des “gegnerischen” Kindes geohrfeigt wird. Ohne zurückzuschlagen erklärt er den Kindern, wie schwach doch der Schläger wäre mit seiner Aggression. Diese christliche Haltung kann Christian nicht ertragen. Er macht sich im Internet schlau und bastelt eine Bombe, um das Auto des brutalen Vaters in die Luft zu sprengen. Das bringt die Freundschaft der beiden Jungen in Gefahr. Elias möchte diesen Plan per Internettelefon seinem Vater mitteilen. Aber die Verbindung mit Afrika, diesem mal wieder undifferenziert und ideologisch vorgestellten Erdteil, funktioniert nicht so richtig. Die Mitteilung unterbleibt. Die Katastrophe naht, die Bombe explodiert, das Auto wird zerstört, Elias kann Menschen in plötzlicher Eingebung retten, wird verletzt, aber wieder geheilt. Der zurückgekehrte Anton rettet Christian vor dem Selbstmord und liebt wieder Marianne. Christian wendet sich seinem Vater zu. Und Anton scheint schon in der Mitte des Films mit einem langen Blick auf ein Spinnennetz das Leben als Aufbauen und Vergehen erkannt zu haben. Aber eigentlich sind alle Darsteller nur vollauf damit beschäftigt, das überbordende Drehbuch abzuarbeiten.

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Dieser Artikel ist in der Printausgabe Nr. 3/2011 erschienen. Stöbern Sie in unserem Ausgabenarchiv.

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