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Und die Magie des Kinos hält an

Ob in den Erzählungen eines 96-jährigen Kinoverrückten Freddy Buache oder in den Dokumentarfilmen, die den OperateurInnen über die Schulter schauen oder mitten in die grossen Umwälzungen des indischen Wanderkinos eintauchen: in diesen Hommagen an das Kino spürt man, dass die Magie des Kinos lebt.

Text: Timo Posselt / 07. Apr. 2017

«Wie hat das Kino dein Leben verändert?», wurde der Gründer der Cinemathèque suisse Freddy Buache am Filmfestival Fribourg gefragt. Der 96-jährige Buache setzte an und liess sein Leben mit dem Kino in einem langen Monolog durchrattern. Er erzählte unter anderem von Miloš Forman und wie er dessen frühen Film Černý Petr (Schwarzer Peter) an der Filmschule in Prag sah und ihn kurzerhand nach Locarno holte. Unter dem Naserümpfen der staatlichen Kulturförderer in Bern, die von Film allgemein und dann auch noch von solchem aus dem Ostblock erstmal nichts wissen wollten. Bei der Projektion in Locarno 1964 hielt Forman Buaches Hand, so nervös war er. Er gewann schliesslich den Jussi Award und lancierte damit seine Karriere hinter dem eisernen Vorhang. Die sollte bis nach Hollywood und zu Oscar-prämierten Filme wie One Flew over the Cuckoo's Nest oder Amadeus führen. Doch nicht nur in den Erzählungen eines 96-jährigen Cinephilen spürte man hier in Fribourg, wie das Kino von damals heute weiterlebt.

Zwei Dokumentarfilme in Fribourg widmeten sich dem Kino selbst. The Dying of the Light von Peter Flynn ist eine Oral History des Kinos. Statt der Filmemacher und Stars stehen die stillen Heldinnen und Helden eines jeden Kinosaals im Zentrum – die Operateurinnen und Operateure. Als Gedächtnis des Kinos berichten sie von den Umwälzungen, von den ersten Laterna Magicas, die seit dem 17. Jahrhundert existierten, bis zur Umstellung auf digitale Projektoren in der letzten Dekade. Nebenbei bekommt man so einen faszinierenden Grundkurs in Filmtechnik und kann die Hochphasen des Kinos nachvollziehen, bevor das Fernsehen teilweise seinen Platz als Massenmedium einnahm. Alle 4000 Plätze des Michigan Theatres in Detroit waren damals an einem Wochenende ausverkauft, heute ist der Prunkbau halb zerfallen und wird als Parkhaus genutzt. The Dying of the Light ist die Würdigung eines aussterbenden Metiers.

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Der indische Dokumentarfilm The Cinema Travellers verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Darin reisen wir mit indischen Wanderkinos von Dorf zu Dorf. Die schaustellenden Filmtheater gibt es auf dem Subkontinent seit 70 Jahren, und das Regie-Duo Shirley Abraham und Amit Madheeshiya erzählt in schwelgenden Bildern wie die Filmrollen im letzten Moment in Jutesäcken geliefert werden, wie mit Trommeln und Tänzen die Filme auf den Jahrmärkten beworben werden, von der Nervosität der Betreiber, wenn das Publikum ausbleibt, und von den ratternden 35-mm-Projektoren, die bei jedem Film fast auseinanderzufallen drohen und dies auch gelegentlich tun. Die gebeutelten Betreiber steigen schliesslich auf digitale Projektion um. Mit Räucherstäbchen, Blütenblättern und Gebeten wird ein neuer Projektor geweiht, bevor er in Betrieb genommen wird. Als dann das erste Bild erscheint, kann sich der Betreiber vor Freude kaum halten.

Ob in den Erzählungen eines 96-jährigen Kinoverrückten Buache, als nostalgische Oral History der Kinogeschichte oder als packendes Eintauchen mitten in die grossen Umwälzungen des indischen Wanderkinos, in diesen Hommagen an das Kino am 31. Filmfestival Fribourg spürte man, dass die Magie des Kinos trotz aller Nostalgie an vergehende Zeiten auch diese Umwälzung überstehen wird.

The cinema travellers h 2016

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