Es ist alles da, was zu einem Biopic über den Jahrhundertschriftsteller Franz Kafka dazugehört. Der herrische Vater (Peter Kurth), der den kleinen Franz (Daniel Dongres) in der bitterkalten Nacht vor die Haustür stellt und dem erwachsenen Franz (Idan Weiss) das «sinnlose Geschreibsel» auszureden versucht. Der beste Freund Max Brod (Sebastian Schwarz) und die Lieblingsschwester Ottla (Katharina Stark), die den sensiblen Feingeist dazu ermutigen, seiner literarischen Bestimmung zu folgen. Felice Bauer (Carol Schuler) und Milena Jesenská (Jenovéfa Boková), denen Franz, aller pathologischer Schüchternheit zum Trotz, beiden den Hof macht. Die Episoden und Umstände, aus denen Kafka die Inspiration für seine Werke zu schöpfen scheint – die Kakerlake, die über den Esstisch huscht, der Prager Berufsalltag in all seiner bürokratischen Gleichförmigkeit, die zunehmende Mechanisierung des europäischen Lebens im frühen 20. Jahrhundert.
© Frenetic Films AG
Doch Franz K. ist das Werk der polnischen Auteurin Agnieszka Holland, die sich mit Filmen wie Bittere Ernte (1985), Hitlerjunge Salomon (1990), In Darkness (2011) und Green Border (2023) als rigorose Chronistin der jüngeren mitteleuropäischen Geschichte etabliert hat. Von ihr eine simple Literatenbiografie nach Hollywood’schem Schema F vorgesetzt zu bekommen – so etwas wie Capote (2005) oder Trumbo (2015) –, wäre dann doch eher überraschend.
Und tatsächlich: Franz K. ist nur zum Teil ein gediegen inszeniertes Kostümdrama, das die wichtigsten Stationen im allzu kurzen Leben seiner Hauptfigur abklappert. Wie Steven Soderberghs Kafka (1991) vor ihnen verwischen auch Holland und Drehbuchautor Marek Epstein die Grenzen zwischen Realität, Fiktion und historischem Erbe. Das Schicksal von Franz’ Zeitgenoss:innen etwa wird über seinen Tod 1924 hinaus skizziert: Milena und seine Schwestern fallen dem Holocaust zum Opfer, Max Brod flieht mit Kafkas Manuskripten nach Palästina. Anderswo werden Szenen aus seinen Erzählungen nachgespielt; und wiederholt springt die Handlung von den 1910er Jahren in die Gegenwart, wo Holland und Epstein pseudodokumentarisch zeigen, wie der Mythos Kafka von seiner Heimatstadt Prag touristisch ausgeschlachtet wird – bis zur (etwas gar plump dargestellten) US-Reisegruppe, die in einen Burgerladen gelotst wird, auf dessen Fassade Kafkas Konterfei prangt.
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Restlos vermag diese Collage zwar nicht zu überzeugen – auch weil das konventionelle Biopic-Drama bisweilen arg steif und blutleer daherkommt –, aber die Gegenüberstellung dieser konkurrierenden Facetten eröffnet dem Publikum eine spannende Meta-Auseinandersetzung mit der kulturellen Chiffre Franz Kafka, und sogar dem Biopic-Genre an sich. Egal, welchen Weg man als Filmemacher:in bei der Behandlung einer historischen Persönlichkeit einschlägt: Man wird letztlich wohl nicht darum herumkommen, eine parasitäre Beziehung mit ihr einzugehen, einem Interesse zu dienen – sei es ideologisch, politisch oder kommerziell –, das herzlich wenig mit den Interessen besagter Persönlichkeit zu tun hat.
In Kafkas Fall sind diese Überlegungen ganz besonders relevant. Es ist bekannt, dass er Max Brod vor seinem Tod darum gebeten hatte, seine Werke zu verbrennen, dieser sich schliesslich aber dafür entschied, sie zu retten. Holland und Epstein sparen den Moment dieser Bitte aus, zeigen aber dafür Brod, wie er den in die Literaturgeschichte eingegangenen Koffer voller Texte anzündet, bevor die Szene – wie in Michael Hanekes Funny Games (1997) – zurückspult und die Zerstörung ungeschehen macht. Damit unterstreicht Franz K. seinen eigenen heiklen Status in der kulturellen Kafkamaschine: Unser Interesse an Kafka als Prophet des totalitären 20. Jahrhunderts und – laut einer im Film vorkommenden Museumspädagogin (Emma Smetana) – des vernetzten 21. Jahrhunderts ist untrennbar verbunden mit unserem Desinteresse an seiner Person.